Kommunen sollen helfen:Notruf in der Provinz

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Sparkassen wollen die Besser-Banker sein. Sind sie es auch? (Foto: dpa)
  • Wegen des allzu sorglosen Umgangs mit Krediten braucht die Sparkasse Dinslaken nun dringend neues Kapital.
  • Holen will sich das Geld die Sparkasse ausgerechnet von klammen Kommunen.
  • Der Fall beleuchtet die Schwachpunkte der ausschließlich kommunal tätigen Institute, die so gern damit werben, die Besser-Banken zu sein.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Bisher gab die Sparkasse Dinslaken-Voerde-Hünxe eher selten Anlass für überregionale Schlagzeilen: Sie nahm Kundengelder an, vergab Kredite, alles war in schönster Ordnung. Doch damit ist es seit ein paar Wochen vorbei. Weil über Jahre alle weggeschaut haben, ist in Dinslaken passiert, was eigentlich nicht passieren darf in der heilen Sparkassen-Welt: Wegen des allzu sorglosen Umgangs mit Krediten braucht sie nun dringend frisches Kapital. Die Bank will sich das ausgerechnet von den klammen Kommunen holen.

Sieben bis neun Millionen Euro Verlust waren es 2014 wohl, auf die Kommastelle genau steht das Ergebnis noch nicht fest. Das ist einerseits zwar wenig verglichen mit den Milliardenlöchern, die die Finanzkrise in die Bilanzen der Großbanken gebrannt hat. Andererseits aber eine ganze Menge angesichts von nur 450 Mitarbeitern und einer Bilanzsumme von gerade einmal 1,6 Milliarden Euro.

Schlimmer noch: Weil die Sparkasse schon seit Jahren kaum Gewinn erwirtschaftet und die Bankenaufsicht von allen Instituten immer höhere Kapitalpuffer fordert, braucht sie nun 35 Millionen Euro Eigenkapital, und das so rasch wie möglich, spätestens aber Ende 2016.

Sparkassen betrachten die Kommunen als Träger - aber nicht als ihre Eigentümer

Zuschießen sollen das Geld ihre Träger, eben Dinslaken, Voerde und Hünxe. Die aber sind selbst klamm, weshalb Sparkassenchef Rolf Wagner, ein freundlicher Ex-Volksbanker mit fast 40 Jahren Berufserfahrung, jetzt sparen muss. Im Herbst 2014 als Sanierer geholt, umreißt er seinen Auftrag nüchtern-knapp: "Neue Besen kehren aus, das ist meine Aufgabe." Frisches Kapital brauche er nun, um weiter Kredite vergeben zu können - dieses Mal an die richtigen Adressen. Alles halb so wild? Wohl kaum. Zwar sollte man den Fall Dinslaken nicht gleich als Vorboten für den drohenden Untergang der mehr als 400 deutschen Sparkassen sehen. Gleichwohl beleuchtet er die Schwachpunkte der ausschließlich kommunal tätigen Institute, die so gern damit werben, die Besser-Banken zu sein.

Da ist zum einen das laxe Kontrollsystem. Dass der Verwaltungsrat als oberstes Kontrollgremium dem Vorstand Kontra gibt, kommt eher selten vor - schließlich ist das Gremium mit Lokalpolitikern besetzt, die oft eher wenig Fachwissen und Streitlust mitbringen. Auch die Prüfungsstelle des regionalen Sparkassenverbandes hielt gegen die Kreditauswüchse in Dinslaken nicht rechtzeitig dagegen. Ralf Witzel, Fraktionsvize der NRW-FDP und umtriebiger Sparkassen-Kritiker, hat jedenfalls "kollektives Aufsichtsversagen" ausgemacht. Die Kontrollgremien seien "überwiegend politisch und nicht nach fachlicher Qualifikation besetzt". Dass die Sparkassen auf rein interne Verbandsprüfungen setzten, sei antiquiert, so Witzel, der es lieber sähe, wenn externe Wirtschaftsprüfer diese Aufgabe übernähmen.

Und zum anderen leiden auch die Sparkassen unter den historisch niedrigen Zinsen, die die Zentralbanken verordnet haben, um Europa über Wasser zu halten. Sie machen besonders kleinen Filialbanken das Leben schwer. Schließlich leben die vor allem davon, niedrig verzinste Kundeneinlagen höherverzinst als Kredit auszureichen oder aber am Kapitalmarkt anzulegen. Da sie aber für Darlehen kaum noch Zinsen nehmen können, geht das Spiel seit geraumer Zeit nicht mehr auf.

Zu guter Letzt kratzt der Fall Dinslaken am Selbstverständnis der Sparkassen. Das ist geprägt von der Idee, sich selbst zu gehören. So betrachten die Sparkassen die Kommunen zwar als ihre Träger, aber eben nicht als ihre Eigentümer. Dieser feine Unterschied verhindert zum Beispiel, dass die Kommunen von den Kassen fordern können, Gewinne auszuschütten. Lieber treten die Sparkassen gönnerhaft als Spender in kommunalen Belangen auf, etwa indem sie Vereine alimentieren. Spendable Sparkassenchefs, dankbare Bürgermeister - eine Praxis, die vielerorts funktioniert, im Extremfall aber in Nepotismus ausarten kann. Wie in Miesbach-Tegernsee: Dort trieb es der Sparkassenchef mit den Spenden derart bunt, dass jetzt die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Warum die Lage eskalierte, wundert auch Beobachter aus der Finanzszene

Dass sie sich selbst und nicht den Kommunen gehören, rechtfertigen die Sparkassen damit, dass sie ihr Eigenkapital über die Jahrzehnte eigenständig aus Gewinnen aufgebaut haben. Umso peinlicher ist es daher, wenn sie plötzlich doch beim Bürgermeister betteln müssen, weil Geld fehlt. In der Regel werden Sparkassen in absehbarer Schieflage daher klammheimlich mit einer anderen fusioniert, noch bevor die Institute ihren gemeinsamen Notfalltopf einsetzen müssen. Der Anruf der Gemeinde ist der Worst Case.

Warum die Lage in Dinslaken eskalierte, wundert daher auch Beobachter aus der Sparkassenszene. Am Donnerstag dieser Woche gibt es vielleicht Antworten auf die Frage. Dann wird NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) im Haushalts- und Finanzausschuss des Landtages dazu Stellung nehmen müssen.

© SZ vom 03.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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