Gaspreise:Blick in die Röhre

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Die Deutschen lieben den Energieträger Gas. Derzeit gibt es auch reichlich davon, dummerweise sinken die Preise dafür nicht. Schuld sind die Verträge - etwa mit Gazprom.

Andreas Oldag

Der Chefvolkswirt der Internationalen Energieagentur in Paris (IEA), Fatih Birol, ist in Expertenkreisen bekannt für seine scharfen Analysen. In dem neuen Bericht über den Energieverbrauch in den kommenden Jahren (World Energy Outlook 2009), den die Agentur am Dienstag vorgelegt hat, finden sich überraschende Prognosen.

In den nächsten Jahren könnten die Gaspreise sinken - nur nicht in Europa. (Foto: Foto: AP)

"Wir gehen besonders bei der Energieversorgung Europas schwierigen Zeiten entgegen", warnt Birol. Zwar steht die Welt in den nächsten Jahren vor einem Überangebot beim Gas und damit vor sinkenden Preisen.

Zu verdanken ist dies etwa neu entdeckten Reserven in Schiefergesteinen in den USA; Washingtoner Fachleute frohlocken schon, dass die USA langfristig zum Gasexporteur werden könnten. Doch vor allem für Erdgaskunden in Deutschland hat der in Ankara geborene Fachmann Birol schlechte Nachrichten: Die Abnehmer in der EU werden wahrscheinlich kaum von der erwarteten weltweiten "Gasschwemme" profitieren.

Ein Grund sind die langfristigen Lieferverträge, die Gas-Versorger vor allem mit russischen Produzenten wie dem mächtigen Staatskonzern Gazprom geschlossen haben. Etwa 70 Prozent der europäischen Erdgaslieferungen seien an solche Kontrakte gebunden, rechnet Birol vor.

In Deutschland wichtigster Energieträger

In den deutschen Haushalten ist Erdgas mit einem Anteil von 36,5 Prozent des Energiebedarfs der wichtigste Energieträger vor Heizöl und Strom. Zudem sind die Gaspreise an die Ölpreisentwicklung gekoppelt, was die Verbraucher schon im Jahr 2008 zu spüren bekommen haben, als das Öl immer neue Rekorde brach - und die Gaspreise mitzogen. Öl aber wird laut den Experten in den nächsten Jahren um etwa ein Viertel teurer werden, und erneut dürfte der Gaspreis in Europa Schritt halten.

Die IEA berät 26 Industriestaaten und mit dezidierten Bewertungen der Energiepolitik ihrer Mitglieder hält sie sich üblicherweise zurück. Doch in Birols Analysen schwingt Kritik an den Europäern mit: Die EU-Abnehmerstaaten müssten sich kurzfristiger am Markt mit Gas eindecken, um wie die USA vom Überangebot zu profitieren, moniert er. Anders als die Europäer kaufen die Amerikaner an den internationalen Spotmärkten ein, wo wie an einer Börse kurzfristig gehandelt wird. Dabei geht es vor allem um Flüssiggas, das in Tankschiffen transportiert wird. Bis 2015 sollen die Überkapazitäten weltweit auf mindestens 250 Milliarden Kubikmeter pro Jahr anschwellen, viermal so viel wie 2007.

Indes warnt die IEA in ihrem neuen Bericht vor weiter steigenden Ölpreisen, nach 2015 bestehe sogar die Gefahr eines Engpasses bei der Versorgung. Nach Meinung Birols könnte der Preis bis zum Jahr 2015 auf 100 Dollar je Fass steigen und bis 2030 auf 190 Dollar.

Damit würden sich die Energieausgaben in der Europäischen Union auf 340 Milliarden Euro pro Jahr verdoppeln. Pikanterweise soll es in der IAE Mitarbeiter geben, welche die von der Agentur veröffentlichten Zahlen über die weltweiten Öl-Produktionskapazitäten für übertrieben halten.

So sei angesichts schwindender Vorkommen selbst eine Ausbeutung von 90 bis 95 Millionen Fass Öl am Tag kaum denkbar, zitierte der Guardian einen IEA-Experten. "Aber es herrscht die Angst vor, dass an den Finanzmärkten Panik ausbrechen könnte, wenn die Zahlen noch weiter gesenkt würden", sagte dieser dem Blatt. Birol spielt den Streit herunter. Doch seine Botschaft ist eindeutig: "Wir kommen in Schwierigkeiten, wenn wir nichts an unserem Energiesystem ändern."

© SZ vom 11.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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