Folge der Krise:Schulden über Schulden

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Deutschland hat die Finanzkrise gut überstanden - doch der Preis dafür ist hoch. Wegen der teuren Programme zur Krisenbewältigung laufen die öffentlichen Haushalte aus dem Ruder. Die Defizitquote des Maastricht-Vertrages wird 2010 so klar verfehlt wie nie zuvor.

Die Wirtschaft boomt, der Arbeitsmarkt ist so stabil wie lange nicht mehr, doch die Staatsschulden explodieren. Das deutsche Staatsdefizit ist im ersten Halbjahr wegen der teuren Krisenprogramme deutlich über den europäischen Grenzwert von drei Prozent hinausgetrieben worden.

Die Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler tickt schneller, obwohl die deutsche Wirtschaft boomt. (Foto: dpa)

Die Defizitquote erreichte nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 3,5 Prozent. Für das Gesamtjahr 2010 rechnet die Bundesregierung trotz einer unerwartet kräftigen wirtschaftlichen Belebung in diesem Jahr mit einem Nachkriegsrekord von 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Allerdings lagen die Schätzungen zu Anfang des Jahres noch rund einen Prozentpunkt höher. In der Zwischenzeit hat aber auch die Deutsche Bundesbank ihre Schätzung zur Defizitquote auf "merklich unter fünf Prozent" abgesenkt.

Teure Sanierung der WestLB

Für das kommenden Jahr dürften es nach Einschätzung der Notenbanker noch vier Prozent sein. Mit einer "gewissen zeitlichen Verzögerung" wirkt sich in den aktuellen Zahlen zur Finanzierungslücke von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen noch die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise aus.

Darüber spiegelten die Zahlen des ersten Halbjahres die Sanierung der WestLB wider. Die "Erste Abwicklungsbank", eine sogenannte Bad Bank, die von der WestLB Risikopositionen und Geschäfte außerhalb des Kernbereichs übernimmt und abwickelt, wird nämlich als Teil des Staates behandelt.

"Der Finanzierungssaldo des Staates hat sich dadurch um rund 900 Millionen Euro verschlechtert", teilte das Amt mit.

Gleichzeitig bestätigte das Statistische Bundesamt die vor zehn Tagen vorgelegten Zahlen für das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal. Das Bruttoinlandsprodukt sei zwischen April und Juni um 2,2 Prozent zum Vorquartal gestiegen, teilte die Behörde mit. Es ist das stärkste Wachstum seit der Einführung der gesamtdeutschen Statistik 1991.

Impulse auch aus dem Inland

Die Exporte legten um 8,2 Prozent zu und damit ebenfalls so kräftig wie nie im vereinten Deutschland. Neben dem Schub durch die weltweite Nachfrage nach Produkten Made in Germany kamen Impulse auch aus dem Inland.

Die Verbraucher gaben 0,6 Prozent mehr aus als zum Jahresauftakt. Der Staatskonsum stieg ebenfalls, und zwar um 0,4 Prozent. "Das schürt insgesamt die Erwartung, dass die Binnennachfrage zum Teil in die Bresche springen kann, wenn die Impulse vom Außenhandel im zweiten Halbjahr abnehmen", sagte Jörg Lüschow, Analyst bei der WestLB. "Die Konjunktur wird sich abkühlen, aber nicht einbrechen."

Nach dem harten Winter holte das Baugewerbe viele Produktionsausfälle auf und präsentierte sich als Wachstumstreiber: Die Bauinvestitionen stiegen um 5,2 Prozent. Zudem investierten die Unternehmen 4,4 Prozent mehr Geld in Maschinen, Fahrzeuge und andere Ausrüstungen.

Dennoch seien die Investitionen immer noch auf einem relativ niedrigen Niveau, betonten die Statistiker. Nach Einschätzung des Münchner Ifo-Instituts liegt die Kapazitätsauslastung der Unternehmen nach dem Einbruch in der Rezession derzeit wieder etwa im langjährigen Durchschnitt.

Weltweit auslaufende Konjunkturpakete

Der Außenhandel sorgte mit 0,8 Prozentpunkten für rund ein Drittel des gesamten Wirtschaftswachstums, die Binnennachfrage steuerte mit 1,3 Punkten den Löwenanteil bei. Im Vergleich zum zweiten Quartal 2009 stieg das Bruttoinlandsprodukt um 4,1 Prozent.

Für das gesamte Jahr rechnen die meisten Experten mit einem Anziehen der Konjunktur um drei Prozent oder mehr. Ab der zweiten Jahreshälfte allerdings sagen Fachleute wegen einer langsameren globalen Nachfrage eine Abkühlung voraus.

Als Gründe gelten vor allem die weltweit auslaufenden Konjunkturpakete. "Wenn es bei einer Abschwächung der Weltwirtschaft bleibt, und nicht zu einem Rückfall in die Rezession kommt, dann stehen die Chancen gut, dass wir zwar weniger dynamisch, aber weiter ordentlich und breit ins nächste Jahr hineinwachsen können", sagte Alexander Koch von Unicredit.

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