Finanzen der Kommunen:Wie beim Würfeln

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Es ist eine Fehlkonstruktion: Durch die Abhängigkeit von der Gewerbesteuer wird die Finanzplanung der Kommunen zur Lotterie. Geld für dringende Modernisierungen fehlt.

Guido Bohsem

Der Job des Finanzministers steckt voller undankbarer Aufgaben. Er muss sparen, mit Koalitionspartnern streiten und Steueroasen triezen. Besonders grässlich aber ist die Beschäftigung mit den Gemeindefinanzen. Egal von welcher Partei - seit Jahrzehnten scheitern daran die Minister.

Nun also Wolfgang Schäuble. Unter seiner Leitung soll an diesem Donnerstag ein neuer Anlauf gewagt werden. Eine Kommission macht sich ans Werk. Zu befürchten ist, dass auch dieses Gremium keine Lösung finden, das Problem aber in einem fingerstarken Abschlussbericht verewigen wird.

Dabei wäre ein Neuanfang notwendig, denn die Bürger spüren die öffentliche Finanznot nirgends so unmittelbar wie in ihrer Kommune - von morgens, wenn sie ihre Kinder in die Schule fahren bis abends, wenn sie ins Theater gehen.

Zudem ist das bisherige System völlig unkalkulierbar. In vielen Kommunen ist eine vernünftige Finanzplanung unmöglich, so sehr schwanken die Einnahmen. Würde man würfeln, käme man auf ähnlich zufällige Ergebnisse. Schuld daran ist vor allem die Gewerbesteuer.

Die jüngste Rezession hat es wieder gezeigt. Es sind die Gewinne der Unternehmen, die in der Krise als Erstes wegbrechen, und mit ihnen fällt auch die wichtigste kommunale Geldquelle. 2009 sanken die Einnahmen der Gewerbesteuer um gut 17 Prozent.

Da sie nur von wenigen Unternehmen gezahlt wird - die meisten können sie mit der Einkommensteuer verrechnen - trifft es insbesondere Kommunen, in denen nur wenige große Konzerne sitzen. Der Autostadt Wolfsburg beispielsweise brachen die Einnahmen im vergangenen Jahr um 43 Prozent weg.

Selbst der solideste Kämmerer kann solche Schwankungen nicht ausbügeln. Also nehmen die Städte und Gemeinden immer höhere Kredite auf, die sie dann jährlich neu finanzieren müssen.

Das merken die Bürger jeden Tag. Die Preise für gewöhnliche Dienstleistungen der Behörden, wie zum Beispiel Beurkundungen, steigen permanent, die Eintrittsgelder für Schwimmbäder und Theater, die Gebühren für Büchereien und Kindergärten ebenso.

In Städten wie Berlin werden Eltern in die Grundschulen geladen, um Wände zu streichen oder den Schulhof zu bepflanzen. Die Verwaltungen selbst sparen an Mitarbeitern und Ausstattung, sodass für einen Amtsbesuch schnell mal ein ganzer Vormittag draufgeht.

Das Finanzkorsett ist derart eng geschnürt, dass viele Kommunen Lohn- und Gehaltssteigerungen auch dann kaum noch verkraften können, wenn sie so moderat sind wie die jüngsten.

Am schlimmsten aber ist, dass die Kommunen an ihren Investitionen sparen. So fehlen die Mittel, um die vom Winterfrost zerstörten Straßen zu sanieren, vom Neubau ganz zu schweigen. Eigentlich bräuchte es Milliarden, um die öffentlichen Kanalisationen an den sinkenden Wasserverbrauch und das veränderte Klima anzupassen.

Der widerliche Modergeruch, der sommers über manchen Straßenzügen liegt, ist nur ein harmloses Indiz für den Modernisierungsbedarf. Doch tatsächlich investieren die Kommunen wegen ihrer Finanzlage seit Jahren immer weniger, was auch zur immer wieder beklagten Schwäche der Binnenkonjunktur in Deutschland beiträgt. Denn die Kommunen sind der wichtigste öffentliche Investitionsträger.

Die Bürgermeister und Kommunalverbands-Fürsten wissen das und halten doch an der Gewerbesteuer fest. Weil die Kommunen zu oft vom Bund und den Ländern über den Tisch gezogen wurden. So mussten sie trotz der schwankenden Einnahmen immer mehr Aufgaben übernehmen. Eine schlechte Gewerbesteuer scheint ihnen lieber zu sein als eine ungewisse Alternative.

Dabei gibt es gangbare Möglichkeiten, die Gemeindefinanzen neu zu ordnen. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Art Gemeindesteuer? Die Kommunen würden auf die Gewerbesteuer verzichten und stattdessen bei allen ihren Einwohnern kassieren.

Die Stadt oder Gemeinde könnte die Löhne und Gehälter besteuern und die Höhe der Abgabe selbst festlegen. Im Gegenzug sänke die Einkommensteuer. Der Vorteil: Die Finanzplanung der Kommunen würde sicherer, ihre Einnahmebasis stabiler, weil die Steuern auf Arbeit deutlich weniger mit der Konjunktur schwanken als die auf Gewinne.

Für die Unternehmen würde eine Gemeindesteuer keine Entlastung bedeuten, denn mit Wegfall der Gewerbesteuer könnte die Körperschaftsteuer deutlich erhöht werden. Das wäre einfacher und transparenter. Bund und Länder verpflichten sich, die zusätzlichen Einnahmen an die Gemeinden weiterzugeben.

Für die Bürger würden die Vorteile überwiegen. Zum Start des neuen Systems könnte festgelegt werden, dass es im Schnitt nicht zu Mehrbelastungen der Arbeitnehmer kommen darf. Weil die Gemeindesteuer gesondert auf der Lohnabrechnung aufgeführt würde, hätten die Bürger erstmals vor Augen, wie viel Geld sie an ihre Gemeinde oder Stadt zahlen.

Die Kommunalwahl würde also zur Abstimmung auch über den individuellen Steuersatz. So könnten sie entscheiden, ob sie lieber ein Schwimmbad haben möchten oder niedrigere Steuern. Das wäre erstmals eine echte Wahl - und die Kommunalpolitik würde endlich die Rolle spielen, die ihr eigentlich zusteht.

© SZ vom 04.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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