Filialschließungen von Banken:Teurer Kunde, treuer Kunde

Bei Firmenkunden ist einfach mehr zu holen: Viele Banken möchten sich die Filialen gerne sparen. Zum Beispiel die Hypo-Vereinsbank, sie setzt künftig mehr aufs Online-Geschäft. Doch langfristig könnte sich dieses Denken rächen.

Kommentar von Stephan Radomsky

Das Sparschwein steht auf der roten Liste bedrohter Spezies. Das kleine Vieh macht vielen Bankern zu wenig Mist, um den Aufwand zu rechtfertigen, den es verursacht, also wollen manche Banken die Spargroschen schon gar nicht mehr für ihre Kunden zählen oder nur gegen satte Gebühr.

Ebenso ungeliebt sind die kleinen Sparguthaben, die irgendwo in Tages- und Festgeldern dümpeln. Die werfen zwar auch für die Kunden wenig ab, für die Bank ist daran aber fast gar nichts verdient. Also schielen immer mehr Geldhäuser - allen Beteuerungen nach der Finanzkrise zum Trotz - doch wieder aufs große Geld. Mit Firmenkunden und erst recht mit komplexen Finanzprodukten lässt sich satt verdienen.

Die Versuchung dazu ist groß. Die Zentralbanken in Europa, den USA und Japan verlangen kaum oder gar keine Zinsen mehr, wenn sich die Geschäftsbanken bei ihnen mit Geld eindecken. Zugleich bringen risikoarme Geldanlagen wie Bundesanleihen oder das klassische Kreditgeschäft nur magere Gewinne.

Stattdessen fließt das Geld beispielsweise an die Aktienmärkte, eindrucksvoll illustriert durch die monatelangen Aufwärtstrends von Dax und Dow Jones, die erst jüngst angesichts der weltweiten Unsicherheiten ins Minus gedreht sind. Vieles von dem, was erst vor wenigen Jahren so katastrophal schiefging, ist also beim Alten geblieben.

Wenig Ertrag im Privatkundengeschäft

Dazu gehört auch, dass einigen Bankern das Privatkundengeschäft angesichts der Verheißungen des Finanzmarkts offenbar zu fad und zu mühsam erscheint. Denn frische Klienten zu locken ist nicht leicht und schon gar nicht billig. Rund 150 bis 200 Euro gibt ein Geldinstitut in Deutschland im Schnitt für jeden Neukunden aus. Werbung und Sponsoring, sei es in Fernsehspots, auf Fußballtrikots oder Rennwagen, sind aufwendig. Aber sie bringen eine Bank eben ins Bewusstsein der Menschen.

Allerdings ist es damit noch längst nicht getan. Steht der neue Kunde erst einmal in der Filiale, verlangt er ein kostenloses Girokonto, obendrauf am besten eine Gratis-Kreditkarte, das Geldabheben muss sowieso drin sein - an möglichst vielen Automaten, versteht sich.

Auf dem Aufwand für Mieten, Infrastruktur, Technik und Sicherheit bleibt die Bank sitzen. Damit kommen für die Geldhäuser zu den hohen Anlaufkosten noch ein teurer Unterhalt und am Ende wenig Ertrag. Das würden sich viele am liebsten sparen. Und wenn schon Privatkunden, dann wenigstens vermögende, die auch ordentliche Summen in die Hand nehmen.

HVB will Rest-Filialen aufmöbeln

Einen besonders radikalen Weg dabei geht nun die Hypo-Vereinsbank (HVB). Das Münchner Geldhaus mit Konzernmutter in Italien will bis Ende kommenden Jahres sein teures Filialnetz halbieren und in diesem Bereich rund 1300 Mitarbeiter loswerden.

Solche Einschnitte liegen bei vielen Unternehmen der Branche voll im Trend: Allein im vergangenen Jahr haben Europas Banken mehr als 4500 Filialen dichtgemacht, hat die Unternehmensberatung A. T. Kearney errechnet. Und in Deutschland hat sich die Anzahl der Zweigstellen, auch durch Fusionen, laut Bundesbank in den vergangenen 20 Jahren auf gut 36 000 fast halbiert.

Im Gegenzug für die Schließungen will die HVB nun einerseits ihre Rest-Filialen technisch und optisch aufmöbeln. Vor allem wollen die Münchner aber ihre ganze Kraft auf die Weiterentwicklung des Internetangebots konzentrieren: die "Online-Filiale", Video-Schalten mit dem persönlichen Berater und Bankgeschäfte per Browser und Telefon sollen damit künftig das Geschäft bringen.

Der deutsche Bankkunde ist nicht nur teuer, auch treu

Für die Kunden sei das kein Problem, glauben die Manager. Schließlich suchen die seit Jahren immer seltener die Filiale um die Ecke auf und erledigen ihre Überweisungen im Netz. Das Ausleeren des Sparschweins am Schalter, die erste Einzahlung, das erste Abheben des Ersparten beim netten Herrn hinter dem Tresen - alles überflüssig, wenn schon Kinder Smartphones haben und die Eltern mit Oma und Opa skypen, so die Hoffnung. Doch die könnte trügen.

Denn der Bankkunde ist nicht nur teuer, sondern auch treu. Oft hat er eine Hausbank und dort seit Jahren seinen festen Ansprechpartner. An den wendet er sich zu allererst, wenn nicht mehr nur ein Fahrrad, sondern ein Auto oder ein Haus auf dem Wunschzettel stehen. Oder wenn nicht mehr nur die übrigen Groschen vom Taschengeld, sondern der Jahresbonus oder die Auszahlung einer Lebensversicherung angelegt werden sollen.

Kann aber der Kunde als Kind mit seinem Sparschwein nicht mehr zu einer bestimmten Bank kommen, weil die keine Filiale mehr unterhält, wird er womöglich später seine Geldgeschäfte auch woanders erledigen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: