Europa: Kampf um Stabilitätspakt:Auf die Plätze - und marsch

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Berlin und Paris haben die EU beim Stabilitätspakt vorgeführt - und ihre Vormachtstellung gesichert: Indem sie Ziele und Zeitplan der Reform vorgeben, machen sie die Arbeit der EU-Kommission faktisch bedeutungslos.

Cerstin Gammelin

Deutschland und Frankreich ist es gelungen, die angestrebte Reform des Stabilitätspaktes zu verwässern - und so ganz nebenbei die Europäische Kommission, den Europäischen Rat sowie 25 Mitgliedsstaaten zu düpieren. Die europäischen Experten besprachen mit den nationalen Finanzministern in Luxemburg, wie Länder, die schlecht wirtschaften und damit ihre Partner in Gefahr bringen, künftig bestraft werden können, da diktierten Angela Merkel und Nicolas Sarkozy plötzlich aus dem fernen Deauville, wie das Ergebnis der Verhandlungen auszusehen habe. Sie lösten in Luxemburg stilles Entsetzen aus.

Frankreich und Deutschland haben die geplante Reform des Stabilitätspaktes verwässert. (Foto: dpa)

Indem sie Ziele und Zeitplan der Reform vorgeben, führen Merkel und Sarkozy die Arbeit, die Kommission und Rat in den vergangenen Monaten geleistet haben, faktisch in die Bedeutungslosigkeit. Warum haben sich Unterhändler von 27 europäischen Staaten, Experten aus der Kommission und die Arbeitsgruppe von Ratspräsident Herman Van Rompuy eigentlich die Köpfe zerbrochen, wenn sie die Eckpunkte der Reform plötzlich auf elektronischem Weg aus einem französischen Badeort übermittelt bekommen? Und das noch dazu am Ende ihrer Mission? Es besteht kein Zweifel daran, dass diese bilaterale Aktion dem europäischen Gedanken mehr schadet als nutzt. Sie offenbart schonungslos, wie die Gemeinschaft funktioniert: Zwei Regierungschefs geben die Richtung vor, 25 Kollegen folgen, mehr oder weniger murrend, aber ohne Alternative. Besonders ärgerlich ist nun, dass ausgerechnet bei dem wichtigsten gemeinsamen Projekt, der Reform des Stabilitätspaktes, der Eindruck entsteht, es würde in geheimer Diplomatie zwischen den zwei größten europäischen Staaten verhandelt.

Das franko-germanische Diktat ist überdies nicht nur eine politische Provokation, sondern auch eine inhaltliche Kehrtwende. Denn es war die Bundesregierung, die bisher strikt und stets darauf drang, dass solche Länder, die sich nicht um die europäischen Haushaltsregeln scheren, künftig praktisch automatisch bestraft werden sollten.

Obwohl die Regierung in Paris diesem Ansinnen offen widersprach, nahm der zuständige Kommissar die deutsche Idee in seine Reformvorschläge auf. Das erweist sich nun als naiv. Denn Deutschland schwenkte inzwischen auf die französische Linie ein. Danach sollen auch künftig zunächst die Staats- und Regierungschefs darüber abstimmen, ob gegen permanente Sünder empfindliche Geldstrafen verhängt werden.

Für die Kommission ist die deutsche Kehrtwende besonders schmerzhaft. Nicht nur, weil sie auf den falschen Partner gesetzt hat. Sondern auch, weil nun klar ist, dass sie künftig nicht eigenständig und unabhängig arbeiten kann, wenn es darum geht, Budget- Sünder zu verfolgen und zu bestrafen. Die Idee, einen mächtigen Wirtschaftskommissar zu installieren, der frei von politischer Rücksichtnahme über den gemeinsamen Währungsraum wachen kann, haben Berlin und Paris rückstandsfrei beerdigt.

Freilich sind die Deutschen nicht zum Nulltarif umgeschwenkt. Sie haben sich Frankreichs Unterstützung gesichert, um in den kommenden beiden Jahren weit striktere Sanktionen durchsetzen zu können, wozu freilich die EU-Verträge geändert werden müssen. So soll Sündern das Stimmrecht entzogen werden, Banken sollen an den Kosten einer Schuldenkrise beteiligt werden. Das klingt zwar vielversprechend, ist aber reine Zukunftsmusik. Um die Verträge zu ändern, bedarf es aller 27 Stimmen. Ein Ja aus Paris reicht nicht aus, um die Briten zu überzeugen oder besonders hoch verschuldete Länder wie Italien oder Spanien. Die deutsch-französische Erklärung hat deshalb vor allem ein konkretes Ergebnis: Einige Politiker sichern sich ihr Recht, zu entscheiden, ob und wie schlecht wirtschaftende Länder bestraft werden. Das ist allerdings kein Garant, um Schuldenkrisen zu vermeiden.

© SZ vom 20.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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