Entwurf von Guttenberg:Pleitegehen leichtgemacht

Lesezeit: 2 min

Systemrelevante Banken dürfen nicht Insolvenz anmelden? Von wegen! Wirtschaftsminister Guttenberg durchdenkt das bisher Unmögliche. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Guido Bohsem

Vor knapp einem Jahr ließ die US-Regierung die Investmentbank Lehman Brothers zusammenbrechen - ein Fehler mit schwerwiegenden Folgen. Die Insolvenz des Wall-Street-Riesen erschüttert die Finanzwelt immer noch. Jetzt hat Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) einen Gesetzentwurf vorgelegt, der dem Staat die Möglichkeit geben soll, Finanzinstitute pleitegehen zu lassen. Chancen auf eine schnelle Umsetzung hat das Vorhaben nicht. Dies könnte erst in der nächsten Legislaturperiode gelingen.

Wirtschaftsminister Guttenberg will auch Banken die Möglichkeit geben, in die Insolvenz zu gehen. (Foto: Foto: Getty)

Was ist die Idee?

Sobald sich die Pleite einer systemrelevanten Bank abzeichnet, erhält die Finanzaufsicht Bafin weitgehende Befugnisse, in die Geschäfte einzugreifen. Für systemrelevant hält das Wirtschaftsministerium Institute, deren "Insolvenz schwerwiegende Gefahren für den Finanzmarkt erwarten lässt". Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Bank nur mit staatlichen Mitteln zu retten ist.

Was soll die Bafin tun?

Nach Genehmigung durch einen Regierungsausschuss ordnet die Aufsicht eine Restrukturierungsverwaltung an. Das heißt, die Bank kann nichts mehr ohne die Einwilligung der Bafin machen. Unter dieser Zwangsverwaltung soll die Geschäftsführung des Instituts einen Plan vorlegen, wie die Bank zu retten ist und die benötigten staatlichen Mittel zurückgezahlt werden können. Dabei sieht der Entwurf ausdrücklich eine Neuausrichtung des Geschäftsmodells oder eine Verkleinerung des Instituts vor. Kann die Bank nicht gerettet werden, ohne dass sie dauerhaft Staatsgeld in Anspruch nimmt, muss ein Plan für eine geordnete Insolvenz vorgelegt werden. Dabei soll der Finanzmarkt möglichst geschont werden. Die Experten des Wirtschaftsministeriums betonen, dass die erste Initiative zur Restrukturierung vom Unternehmen selbst ausgeht. Damit werde der Einfluss des Staates deutlich begrenzt.

Was passiert, wenn das Institut sich nicht an die Vereinbarung hält?

Die Finanzaufsicht kann dann der Geschäftsleitung direkte Anweisungen geben oder sie sogar entlassen. Sie darf sogar gegen den Willen der Anteilseigner eine Rekapitalisierung anordnen und sie zwingen, Geld nachzuschießen. Ferner kann die Bafin Bonuszahlungen und Gewinnausschüttungen untersagen. Das gilt auch für die Zahlung von nachrangigen Forderungen von Gläubigern.

Wird damit nicht das Recht der Aktionäre außer Kraft gesetzt?

Doch. Dies soll aber nur zeitlich begrenzt möglich sein. Wenn sicher ist, dass die staatlichen Hilfsmittel zurückgezahlt werden können und das Unternehmen überlebt, soll die Bafin die Kompetenzen wieder abgeben. Ausdrücklich heißt es im Gesetzentwurf, dass das Recht der Aktionäre, über ihre Anteile zu verfügen, die ganze Zeit gewährleistet bleibt.

Gibt es noch andere Überlegungen zur Bankeninsolvenz?

Ja. Das Bundesjustizministerium arbeitet an einem konkurrierenden Konzept. Ressortchefin Brigitte Zypries (SPD) setzt darauf, dass die betroffenen Banken frühzeitig einen Sanierungsplan erstellen und einen sogenannten Reorganisationsberater bestellen. Dieser Berater soll dann von der Bafin mit Sonderrechten ausgestattet werden. Das Wirtschaftsministerium lehnt diesen Vorschlag allerdings ab. Angesichts der Erfahrungen aus der Bankenkrise sei es wenig realistisch, dass ein Kreditinstitut freiwillig eine frühe Umorganisation beantragen werde. "Der drohende Reputationsverlust und die befürchteten Reaktionen auf dem Kapitalmärkten werden sie davon abhalten", heißt es in Guttenbergs Haus.

© SZ vom 07.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

HRE-Untersuchungsausschuss
:Zeugen eines Desasters

Was wussten sie? Was geschah an dem Wochenende, an dem die HRE vor der Pleite gerettet wurde? Kam die Hilfe der Regierung zu spät? Die Zeugen der dramatischen drei Tage im Herbst 2008 in Bildern.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: