Energiewende:EU will Bürger zum Stromsparen zwingen

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Energiekommissar Günther Oettinger bereitet eine Richtlinie vor: Jeder Europäer soll im Jahr 1,5 Prozent weniger Energie verbrauchen. Stromsparen will jedes Mitgliedsland, doch bislang drücken sich fast alle vor konkreten Zielen. Das soll sich nun ändern - auch wenn sich die Industrie vehement wehrt.

Marlene Weiss, Brüssel

Günther Oettinger will das europäische Energiespar-Ziel für das Jahr 2020 doch noch erreichen, das schon in weite Ferne gerückt schien. Der Brüsseler Energiekommissar wird am Mittwoch der Kommission den Vorschlag für eine Richtlinie vorlegen, der die europäischen Länder erstmals zum Sparen zwingen soll. Der Entwurf liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Er ist ehrgeizig: Von 2014 an sollen demnach Jahr für Jahr drei Prozent der öffentlichen Gebäude - gemessen an der Bodenfläche - energetisch saniert werden. Und alle Energielieferanten oder Energieversorger sollen verpflichtet werden, jedes Jahr 1,5 Prozent Energie einzusparen; ausgenommen ist nur der Transportsektor.

Ob die Kommission den Richtlinienvorschlag so annimmt, ist freilich noch offen, und erst recht, ob die Vorlage danach Parlament und Rat passiert. Handlungsbedarf besteht allerdings in jedem Fall: Um 20 Prozent soll der Energieverbrauch in der EU bis zum Jahr 2020 sinken - gegenüber der Prognose auf der Basis von 2009, die keine weiteren Maßnahmen in Betracht zieht. Bislang sieht es für dieses Ziel ziemlich schlecht aus: Weil es keine verbindlichen Verpflichtungen für die einzelnen Mitgliedsstaaten gibt, zieren sich die Regierungen, die Vorgaben umzusetzen. Die bislang eingeführten Sparmaßnahmen reichen Schätzungen zufolge lediglich aus, den Verbrauch um etwa zehn Prozent zu senken.

In Deutschland sieht das Energiekonzept der Bundesregierung vor, den Verbrauch bis 2020 um 20 Prozent gegenüber dem Jahr 2008 zu senken, bis 2050 sollen 50 Prozent erreicht werden. Der Politikberater Stefan Scheuer, der europäische Umweltorganisationen berät, hat berechnet, dass das gemessen an der EU-Prognose einer Reduktion um 15 Prozent entspräche - damit läge Deutschland unter dem EU-Ziel, aber unter den Staaten mit festen Sparzielen noch im Mittelfeld.

Nur etwa die Hälfte der Mitgliedsstaaten hat bislang überhaupt konkrete Ziele. Lediglich vier Staaten planen Einsparungen von mehr als 20 Prozent: Frankreich, Portugal, Malta und Lettland, das sogar 42 Prozent einsparen will. "Jetzt wird sich zeigen, ob die EU es ernst meint mit dem Energiesparen", sagt Scheuer.

Frankreich hat eine Verpflichtung der Energieversorger zu Einsparmaßnahmen, wie sie die Richtlinie jetzt vorsieht, im Rahmen der Grenelle-Umweltgesetze bereits eingeführt. In Großbritannien gilt bereits seit einigen Jahren das Carbon Emission Reduction Target (Cert). Es verpflichtet die Energielieferanten, von 2008 bis 2012 gemeinsam 293 Millionen Tonnen Kohlendioxid einzusparen. Bei den Energieversorgern hält sich die Begeisterung für solche Maßnahmen in Grenzen, schließlich entgeht ihnen Umsatz und Gewinn, um die sie mit ihren Wettbewerbern konkurrieren. Peter Liese, CDU-Abgeordneter im Europaparlament, fordert trotzdem verbindliche Sparvorgaben. "Eigentlich sollte die politische Entscheidung einfach sein", sagt er: "Sparen schafft Arbeitsplätze, der Gewinn bleibt im Land, und es leiden nur Energielieferanten wie Gazprom und Ölförderländer."

Die Industrieverbände wehren sich vehement. Mit wenigen Ausnahmen: Die Energieeffizienzbranche, organisiert in der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff), ist natürlich für strengere Vorgaben.

Der zweite zentrale Punkt in der Richtlinie, die Pflicht zur Gebäudesanierung, dürfte vor allem bei den finanziell notorisch klammen Kommunen auf wenig Gegenliebe stoßen - allenfalls könnten sie die Investitionen umgehen, indem sie das Energiemanagement externen Anbietern überlassen.

Verbindliches fordert allerdings auch Oettingers Richtlinien-Entwurf vorerst nicht: Erst im Jahr 2014 soll überprüft werden, ob die Fortschritte ausreichen, um das europäische Sparziel bis zum Jahr 2020 zu erreichen.

© SZ vom 17.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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