Der Kampf gegen die Krise:Die sechs Nothelfer

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Steinbrück, Weber, Ackermann: Bis zu 20 Stunden täglich suchen sechs Männer im Auftrag von Bundeskanzlerin Angela Merkel fieberhaft nach einem Ausweg aus der Finanzkrise.

Guido Bohsem, Helga Einecke und Ulrich Schäfer

Am Anfang war das Wort. Das Wort von Jochen Sanio. Wenn die IKB nicht gerettet werde, dann, warnte der Chef der deutschen Finanzaufsicht Bafin im Juli vorigen Jahres, drohe eine Bankenkrise wie im Jahr 1931. Die Teilnehmer der vertraulichen Runde wussten, was dies bedeutet: Am 13. Juli 1931 war die Danat-Bank zusammengebrochen, das zweitgrößte deutsche Kreditinstitut, weil sich Banker und Regierung nicht auf einen Rettungsplan einigen konnten. Am nächsten Tag stürmten die Kunden die anderen Banken. Zwei Tage lang blieben alle Geldhäuser geschlossen, sechs Wochen lang blieb der Zahlungsverkehr eingeschränkt. Die Banken durften nur Löhne, Steuern und Sozialleistungen überweisen. Der 13. Juli 1931: Es war der Tag, an dem die Weltwirtschaftskrise Deutschland erreichte.

Wenn man weiß, was 1931 geschehen ist, erklärt sich, warum Bundesregierung, Bundesbank und Finanzaufsicht im Jahr 2008 nun alle großen Banken retten wollen. Die Krise von einst soll sich nicht wiederholen. Es sind sechs Männer, auf die sich Bundeskanzlerin Angela Merkel dabei voll und ganz verlassen muss. Sie bilden das informelle Komitee zur Rettung der deutschen Banken.

Vier Männer stehen dabei im Vordergrund: Finanzminister Peer Steinbrück, Bundesbank-Präsident Axel Weber, Bafin-Chef Jochen Sanio und Josef Ackermann, der Chef der Deutschen Bank. Zwei Männer machen im Hintergrund die Feinarbeit: Steinbrücks Staatssekretär Jörg Asmussen und Merkels Wirtschaftsberater Jens Weidmann, der im Kanzleramt die Wirtschaftsabteilung leitet. Sie sind diejenigen, die die Details der Krisenpläne ausarbeiten. Sie arbeiten in diesen Wochen bis zu 20 Stunden am Tag. Und schlafen kaum.

Asmussen, 42, und Weidmann, 39, kennen sich noch aus gemeinsamen Studientagen in Bonn. Dort hatten die Studenten der Volkswirtschaftslehre einen Professor namens Axel Weber - ein Geldtheoretiker, der einen guten Ruf in der Wissenschaft hatte, aber keinen Draht in die Politik. Asmussen änderte dies später. Er riet - seinerzeit als Leiter des Ministerbüros - dem damaligen Finanzminister Hans Eichel (SPD) im Jahr 2002, Weber in den Rat der "Fünf Weisen" zu holen. Aus dem Sachverständigen Weber wurde, wieder auf Anraten von Asmussen, im April 2004 der Bundesbankpräsident Weber. Und als solcher wurde Weber Chef von Jens Weidmann, der nach dem Studium zunächst zum Internationalen Währungsfonds gegangen war und dann zur Bundesbank.

Bonner Verbindung

Die Bonner Verbindung ist hilfreich. Denn es sind hektische Tage, in denen alle Teilnehmer der Sechser-Runde unter Stress stehen. "Natürlich fragt man sich immer, ob man nicht irgendwo Fehler macht", sagt einer der Beteiligten. Alle arbeiten an der Leistungsgrenze: die Banker, die Aufseher, die Regierungsleute. Auch Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sieht man dies an. Als er am Sonntag vor einer Woche die Billionen-Garantie für Sparer erklärte, wirkte er abgespannt.

Nachts um zwei Uhr ging er danach ins Bett, um acht Uhr gab er schon wieder ein Live-Interview im Deutschlandfunk und verplapperte sich prompt. Man arbeite an einem "Plan B", verriet er und sorgte für Aufregung. Sein Sprecher dementierte - obwohl die sechs Männer genau an diesem Plan arbeiteten.

Denn die Lage der deutschen Banken ist ernst. Wie ernst, lässt sich auch daran ablesen, dass Asmussen am Wochenende nicht mit zur Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds reiste - eigentlich ein Pflichttermin für den Staatssekretär. Stattdessen bastelt er mit Weidmann am Krisenplan. Die Beamten in Finanzministerium und Kanzleramt schreiben seit Tagen an Gesetzesentwürfen und Verordnungen, die in das riesige Rettungspaket für die Banken einfließen. Asmussen und Weidmanns Aufgabe ist es, die Regelungen zu bewerten und ihren Chefs zur Entscheidung vorzulegen. Innerhalb von Stunden werden Dinge entschieden, die dieses Land auf Jahrzehnte prägen werden. Die beiden Beamten betreten absolutes Neuland, es gibt nur wenige Erfahrungen, die auf die aktuelle Situation passen. Noch am Sonntagabend standen die Details des Rettungsplans offen. An der Vorlage, die das Kabinett an diesem Montag beschließen soll, wurde bis in die Abendstunden gearbeitet.

Am Sonntag Abend begleitete Asmussen dann Merkel zum EU-Krisengipfel nach Paris. Er kann auf beinahe ein Jahrzehnt Verhandlungen innerhalb der G7 und der EU zurückgreifen. "Er kennt seine Ansprechpartner in den unterschiedlichen Ländern seit langem. Ein Vorteil ist dabei auch, dass alle einen ähnlichen ökonomischen Hintergrund haben und in einem ähnlichen Alter sind", heißt es in der Regierung. Den Chef der Federal Reserve Bank von New York, Timothy Geithner, einer der wichtigste Krisenhelfer für die Wall Street, kennt Asmussen noch aus der Zeit, als er und Geithner unbekannte Beamten in ihren Finanzministerien waren.

Insbesondere Asmussen ist nicht unumstritten. Vor der zweiten Rettungsaktion für die angeschlagene Hypo Real Estate wurde in Bankenkreisen öfter die Frage gestellt: "Wissen die eigentlich, wie ernst die Lage ist? Verstehen die, was da vor sich geht?" Die Vertreter der Hochfinanz waren entsetzt, als die Regierung auf Einzelfalllösungen beharrte und es ablehnte, ein Hilfspaket wie die USA aufzulegen.

Einer der Zweifler auf Seiten der Finanzwirtschaft ist Deutsche-Bank-Chef Ackermann. Weil ihm das Eingreifen der Regierung zu halbherzig erschien, plädierte er nicht mehr nur in den Gesprächen mit der Politik für einen nationalen Rettungsplan, sondern entschied sich, die Forderung öffentlich zu machen. Ackermann nimmt auch deshalb eine Schlüsselrolle ein, weil er einer der wenigen Bankiers ist, denen Merkel vertraut. Erst nach einem nächtlichen Gespräch zwischen Ackermann und Merkel kam der erste Rettungsplan für die Hypo Real Estate überhaupt zustande.

Bundesbankpräsident Weber, 51, fällt die Aufgabe zu, Brücken zwischen den Welten der Finanzen und der Politik zu bauen. Auch er versteht sich in der Krise vor allem als Ratgeber. Auch er war sich nicht sicher, ob das Vorgehen der Regierung nicht zu zögerlich war und es nicht besser gewesen wäre, gleich den großen Wurf zu wagen. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Steinbrück am Freitag in Washington war er es schließlich, der darauf drängte, bei den bedrohten Banken einzusteigen und sie so mit frischem Kapital zu versorgen.

Weber gehört zu den wenigen international anerkannten deutschen Ökonomen. Schnelles Denken und gute Vorbereitung gehören zu seinen Stärken, auch die Fähigkeit, mit wenig Schlaf auszukommen. Manche nennen ihn "Turbo-Weber". Aber der Sprint genügt Weber nicht, er schätzt den Marathon-Lauf. Ausdauer braucht er während der Bankenkrise. Er eilt von Sitzung zu Sitzung zwischen Bonn, Berlin und Frankfurt hin und her. Anders als Steinbrück behält er meist die Nerven und zeigt sich öffentlich als Herr der Lage. Hinter verschlossenen Türen kann Weber aber laut und deutlich werden. Seit der Krise um die IKB ist die Bankenaufsicht bei der Bundesbank Chefsache.

Streit um die Kontrolle

Weber muss sich in dieser Krise mit einem Mann zusammenraufen, mit dem er zuvor Jahre lang gestritten hat, wer denn die Banken in Deutschland beaufsichtigen: mit dem Bafin-Präsidenten Jochen Sanio, 61. Die Politik hatte den Streit mit der Reform der Bundesbank entfacht, das Ergebnis: Wie bisher sind Bafin und Bundesbank für die Kreditinstitute zuständig. Der Jurist Sanio hat sich bereits sein ganzes Berufsleben mit der Kontrolle von Kreditinstituten beschäftigt. Seit 2006 ist Sanios Ruf allerdings beschädigt, weil in seiner Behörde ein Betrug in großem Stil aufflog. Seither muss Sanio häufiger den Mund halten als ihm lieb ist, sein Dienstherr Steinbrück hat seine Macht in der Bafin beschnitten.

Dessen ungeachtet tritt Sanio sehr selbstsicher auf, manche nennen ihn selbstgefällig. Sein Verhandlungsstil gilt als rüde und hemdsärmelig. Tatsächlich zieht er gerne sein Jacket aus, wenn es zur Sache geht, und brüllt schon mal in die Runde, wenn ihm der Kragen platzt. Oder sagt in vertraulicher Runde Sätze, die später unweigerlich in der Zeitung stehen. Wie der Vergleich mit 1931.

© SZ vom 13.10.2008/ld/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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