Beamte:Dichtung und Wahrheit

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Weg mit den Irrtümern: Pensionäre mit Durchschnittsverdienst haben netto nur wenig mehr als Rentner mit betrieblicher Altersversorgung.

Thomas Öchsner

Pensionäre gelten als privilegiert. Sie haben keinen Cent in ihre Altersvorsorge eingezahlt und kassieren hohe Ruhestandsgehälter, die langfristig die öffentlichen Haushalte in den Ruin treiben. Diese Meinung ist in Deutschland weit verbreitet.

Der Finanzmathematiker Werner Siepe, Autor mehrerer Fachbücher zum Thema Altersvorsorge und Studien für die Stiftung Warentest, hat nun versucht, Irrtümer und Wahrheiten über die Beamtenpensionen zusammenzutragen. Sein Ergebnis fällt differenziert aus: Der Unterschied zwischen den Nettopensionen und den Nettogesamtrenten ist weniger hoch als vielfach angenommen. Andererseits profitieren Beamte bei ihrer Altersvorsorge von teilweise grotesken Privilegien.

Die 60 Seiten starke Untersuchung, die Siepe in Berlin vorstellte, ist eine Abrechnung mit bekannten Kritikern der Beamtenversorgung. "Es fällt auf, dass eine ganze Reihe von Fehlern in Studien enthalten sind, die im Auftrag von arbeitgebernahen Instituten erstellt wurden", heißt es in der Untersuchung.

Dazu zählt er Stellungnahmen und Berichte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, des Freiburger Professors Bernd Raffelhüschen und des früheren Vorsitzenden des Sachverständigenrats der Bundesregierung, Bernd Rürup. Ihnen wirft er vor, "Halbwahrheiten über die Beamtenpensionen zu verbreiten".

Das Gerücht von der doppelten Rente

Zum gängigsten Vorurteil zählt Siepe die Ansicht, Pensionen seien doppelt oder dreifach so hoch wie die Rente. Diese Behauptung hält der Fachautor vor allem aus zwei Gründen für falsch: Es werden Pensionen, die sich vom Grundgehalt eines Höherverdieners ableiten, mit Renten für Durchschnittsverdiener unter allen Arbeitnehmern verglichen. Auch fallen bei solchen Vergleichen meist die Betriebsrenten der Arbeitnehmer völlig unter den Tisch.

Nach Angaben des Finanzmathematikers werden zwei weitere Rechenfaktoren gern unterschlagen: Dazu gehören die Beiträge zur privaten Krankenversicherung und Pflegeversicherung, die die Pensionäre noch entrichten müssten.

Beim Vergleich von Pensionen und Renten wird außerdem unterstellt, dass keine oder gleich hohe Steuern anfallen. Tatsächlich werden Pensionen abzüglich eines Freibetrags voll besteuert. Neurentner des Jahres 2010 müssen ihre gesetzliche Rente zu 60 Prozent versteuern.

So gerechnet kommt Siepe zu dem Ergebnis, das die Nettopensionen je nach Verdienstgruppe, Familienstand und Lebensalter um bis zu 20 Prozent über den Nettogesamtrenten (inclusive Betriebsrenten) für ehemalige Tarifbeschäftigte Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst liegen.

Extrazahlung für Akademiker

Für Durchschnittsverdiener unter den Beamten bleibe ein finanzielles Plus von 10 bis 15 Prozent. Allerdings haben nicht alle Rentner eine betriebliche Altersvorsorge: 2007 hatten etwa 64 Prozent der sozialversicherungspflichtig angestellten Arbeitnehmer eine betriebliche Zusatzversorgung aufgebaut. Die Betriebsrente lag in der Privatwirtschaft 2005 bei durchschnittlich 388 Euro pro Monat. Nicht berücksichtigt bleibt in der Studie auch, dass die Staatsdiener ebenfalls Geld für eine zusätzliche Altersvorsorge zurückgelegt haben können.

Siepe, selbst Beamter im Ruhestand, kritisiert aber auch spezielle Privilegien für Pensionäre: So sei nicht einzusehen, dass in der Beamtenversorgung weiter "Studienzeiten bis zu mehr als zwei Jahren angerechnet werden und somit pensionssteigernd wirken". Für Akademiker unter den Rentenzugängen ab 2009 erhöhe sich durch ein absolviertes Studium die gesetzliche Rente dagegen nicht.

Für "völlig systemfremd" hält der Finanzmathematiker auch die doppelte Anrechnung von früheren Angestelltenzeiten im öffentlichen Dienst. So erhielten Beamten, die früher als Angestellte im öffentlichen Dienst tätig waren, neben der gesetzlichen Rente eine Pension, "in deren Berechnung die Angestelltenzeiten noch zusätzlich einfließen". Der Experte verlangt deshalb, "nicht systemgerechte Pensionsprivilegien abzubauen".

© SZ vom 25.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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