Wikileaks-Aktivist Jacob Appelbaum:Vom Helden zum Gejagten

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Der amerikanische Netzaktivist Jacob Appelbaum wurde wieder einmal auf Betreiben der US-Behörden in Arrest genommen - wegen seiner Beteiligung an Wikileaks. Tags zuvor hatte man ihn in Schweden für seine Mitarbeit am Verschlüsselungsprojekt "Tor" noch als Retter der Demokratie gefeiert.

Gunnar Herrmann

Das Verhältnis westlicher Demokratien zu Computerhackern ist zuweilen voller Widersprüche. Kaum jemand dürfte das besser wissen als Jacob Appelbaum: Als der Computerexperte aus Seattle am Donnerstag in Reykjavik das Flugzeug wechseln wollte, stoppten ihn isländische Sicherheitskräfte und stellten ihn für die gesamt Zeit seines Zwischenstopps unter Arrest.

Überrascht hat es den US-Amerikaner nicht - Appelbaum wird nach eigenen Angaben oft an Flughäfen vorübergehend in Gewahrsam genommen. Wegen seiner Beteiligung an der Enthüllungsplattform Wikileaks haben ihn die US-Sicherheitsbehörden seit längerer Zeit im Visier. Appelbaum nahm es also gelassen und twitterte: "Der isländische Arrest ist der schönste in ganz Europa - Mann, so tolle Leute hier. Und guter Kaffee."

Gewöhnlich darf Appelbaum nach einigen Stunden weiterreisen. So war es auch in Reykjavik, aber diesmal ist der Vorfall besonders bizarr: Der Computerexperte befand sich auf der Rückreise von Stockholm, wo man ihn tags zuvor noch als Retter der Demokratie gefeiert hatte. Eingeladen hatte ihn Schwedens staatliche Agentur für Entwicklungshilfe, die eines seiner Projekte mit umgerechnet gut 100.000 Euro fördert.

Appelbaum beschäftigt sich vor allem mit Anonymität im Netz. Bei Wikileaks kümmerte er sich unter anderem um Datensicherheit. Appelbaum war also einer von denen, die dafür sorgen, dass anonyme Tippgeber auch anonym bleiben. Das missfällt den US-Behörden, die seit Monaten versuchen dahinterzukommen, woher Wikileaks geheime Botschaftsdepeschen und Militärakten bekommen hat.

Bekannt ist Appelbaum aber auch für seine Mitarbeit am Projekt " Tor" - einer frei zugänglichen Software, die es jedermann gestattet, unerkannt zu surfen. Die schwedische Regierung finanziert gerade eine Weiterentwicklung dieses Systems. "Dieses Projekt ist wichtig, um Demokratie-Aktivisten in Diktaturen zu unterstützen", sagt Lena Ingelstam, die bei der schwedischen Entwicklungshilfeagentur die Abteilung für globale Zusammenarbeit leitet.

"Wir sind uns bewusst, dass so eine Technik auch missbraucht werden kann. Aber das kann kein Grund sein, die Technik als solche abzulehnen." Die Zusammenarbeit mit Appelbaum werde darum fortgesetzt, auch wenn der Mann wegen anderer Dinge mit US-Behörden im Clinch liegt.

Projekt Tor ist ohnehin nur ein kleiner Teil einer umfassenden Internet-Offensive der schwedischen Entwicklungshilfe. Die Mittel, die der Behörde für die Unterstützung von Netzaktivisten zur Verfügung stehen, wurden in diesem Jahr auf umgerechnet fast neun Millionen Euro verdoppelt. Auch mit Blick auf den Arabischen Frühling. Appelbaum wird also noch öfter nach Stockholm reisen. Wenn ihn die Kollegen der anderen Behörden lassen.

© SZ vom 29.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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