25 Jahre Linux-Betriebssysteme:Warum der Linux-Desktop niemals kam

LINUX LINUS TORVALDS

"Frei leben, oder sterben", steht auf seinem Schild: Linux-Erfinder Linus Torvalds im Jahr 1999.

(Foto: AP)

Vor 25 Jahren gab Linux sein erstes Lebenszeichen von sich. Heute ist es fast allgegenwärtig - nur nicht dort, wo sein Schöpfer es gerne sehen würde.

Von Stephan Dörner, t3n.de

"Ich arbeite an einem (freien) Betriebssystem (nur ein Hobby, es wird nicht groß und professionell wie GNU) für 386(486)-AT-Klone." So bescheiden liest sich das erste Lebenszeichen von Linux. Verfasst hat die Zeilen Linux-Gründer Linus Torvalds vor genau 25 Jahren am 25. August 1991 in der Newsgroup comp.os.minix.

Linux blieb bekanntlich kein Hobby-Projekt. Der zunächst im Alleingang von Torvalds entwickelte Betriebssystemkernel wurde unter die freie Lizenz GNU General Public License gestellt und bald darauf mit den Tools des GNU-Projekts wie dem Compiler gcc und dem Kommandozeilenprogramm Bash verheiratet, um aus Linux ein komplettes Betriebssystem zu machen.

Das Team von GNU rund um den besonders überzeugten Vertreter freier Software, Richard Stallman, arbeitete schon seit 1984 an einem freien Unix-Ersatz. GNU ist ein sogenanntes rekursives Akronym und steht für "GNU's not Unix" - GNU sollte also ein freier Unix-Ersatz werden.

Linus Torvalds, Held der freien Software

Doch der Kernel des GNU-Projekts - genannt Hurd - ist bis heute nicht fertig. Linux wurde zu diesem Kernel - und da die GNU-Systembestandteile und Linux jeweils unter derselben freien Lizenz entwickelt wurden, ließ sich beides zu einem Betriebssystem verbinden.

Heute ist Linux allgegenwärtig - nicht mehr nur auf den meisten Servern im Internet, sondern auch auf Privatroutern, Fernsehern, in Autos und natürlich in rund 80 Prozent aller weltweit eingesetzten Smartphones. Denn Linux ist auch der Kernel von Googles Smartphone-Betriebssystem Android.

Linux-Begründer Linus Torvalds wurde zum bekanntesten Gesicht der Open-Source-Bewegung, und sein System zum Aushängeschild der Bewegung rund um freie Software, die sich beliebig kopieren und durch Offenlegung des Quellcodes verändern lässt.

Nicht immer zum Gefallen des Urvaters der Freien Software, Richard Stallman, der neben GNU auch die Free Software Foundation gegründet hat. Als um die Jahrtausendwende Linus Torvalds und Linux zu den Stars der IT-Welt avancieren, die es mit dem damals allmächtigen Microsoft-Betriebssystem Windows aufnehmen, wird Stallman in seinen Hinweisen auf das GNU-Projekt immer lauter. Eigentlich - so Stallmans Auffassung bis heute - müsse es "GNU/Linux" heißen, weil Linux als nackter Kernel ohne die Systembestandteile von GNU gar nicht funktioniere.

Im Dotcom-Hype wird Linux weltbekannt

Die nichtkommerzielle Linux-Distribution Debian nennt ihr System daher tatsächlich Debian GNU/Linux - die meisten anderen wie Red Hat lehnen das aber ab. Das Argument ist naheliegend. Linux-Distributionen bestehen aus mehr als dem Kernel und der GNU-Umgebung - es gehören auch noch eine grafische Oberfläche wie Gnome oder KDE und Unmengen von Applikationen wie beispielsweise der Browser Firefox oder Libre Office dazu. Bevor sich Linux-Distributoren aber beispielsweise Red Hat GNU/Libre Office/KDE/Firefox Linux genannt haben, blieb es bei den meisten dann doch Linux.

Linux wird inmitten des Dotcom-Hypes der 2000er plötzlich weltbekannt und Torvalds durch seine Red-Hat-Aktien, die ihm das Unternehmen schenkte, zwischenzeitlich zum Multimillionär. Der Traum der Linux-Community ist damals die Eroberung des Desktops und die Verdrängung des allmächtig erscheinenden Quasi-Monopols von Windows auf PCs. Immer wieder wird Anfang der 2000er das "Jahr des Linux-Desktops" ausgerufen - doch die Verbreitung auf den PCs in Büros, Wohn- und Kinderzimmern bleibt marginal. Es fehlt vor allem an kommerzieller Software.

Doch auf allen anderen Computern mit Netzwerkanschluss verbreitet sich Linux rasend schnell. Da sich Linux an dem Vorbild Unix orientiert und Unix von vorne herein auf Netzwerkfähigkeit ausgelegt wurde, kommt das kostenlose System wie gerufen für das um die Jahrtausendwende anbrechende Internetzeitalter.

Google nutzt Linux von Beginn an

Google als einer der technischen Pioniere der Zeit nutzt Linux von Beginn an auf den eigenen Servern in Kombination mit billiger Standard-PC-Hardware von der Stange statt der bis dahin gebräuchlichen Kombination aus teurer Spezial-Hardware mit kommerzieller Unix-Lizenz. Inzwischen sind sämtliche kommerziellen Unix-Varianten von HP-UX über Solaris bis AIX faktisch tot - Linux hat zusammen mit einigen Varianten des Open-Source-Unixsystems BSD den Markt aufgerollt.

Auch auf allerlei Routern im Heimnetzwerk, auf Fernsehern, Netzwerklaufwerken, in Set-Top-Boxen, auf Bastelcomputern wie dem Raspberry Pi oder sogar in Autos macht sich Linux breit. Hersteller schätzen an dem System, dass es stabil, schnell, anpassbar und kostenlos ist - wobei das teilweise auch missverstanden wird. Harald Welte von kämpft seit vielen Jahren erfolgreich vor deutschen Gerichten für die Einhaltung der freien GPL-Lizenz, die verlangt, dass abgeleitete Werke wieder unter die GPL-Lizenz gestellt werden.

Linux erobert mit Android die Smartphones der Welt

Die echte Welteroberung gelingt Linux allerdings erst ab 2008. Rund ein Jahr nach Apples iPhone bringt Google sein für die Hersteller kostenloses Smartphone-Betriebssystem Android mit Linux-Kernel auf den Markt. Auch Android reiht sich in den Geist der Open-Source-Bewegung ein: Bis auf die vorinstallierten Apps direkt von Google steht das Betriebssystem komplett unter der freien Apache-Lizenz. Dadurch konnten es andere Hersteller wie chinesische Smartphone-Produzenten oder Amazon als Grundlage für eigene Betriebssysteme verwenden.

Auf Desktop-PCs ist Linux auch nach 25 Jahren noch eine Ausnahmeerscheinung - es dominieren Windows-PCs und Macs. Und noch immer sind die meisten beliebten Programme der PC-Welt wie Adobe Photoshop oder Microsoft Office nicht auf Linux portiert.

Immerhin die Anzahl an kommerziellen Computerspielen für das freie System ist aber stark angestiegen - vor allem dank der unter Entwicklern beliebte Spiele-Entwickler-Plattform Unity, mit der sich einmal programmierte Spiele quasi per Knopfdruck für verschiedene Plattformen veröffentlichen lassen.

Torvalds hat Linux auf dem Desktop noch nicht aufgegeben

Wenn es nach Steam-Betreiber Valve geht wird Linux sogar die Plattform für PC-Gaming - das eigene Betriebssystem Steam OS basiert auf Debian GNU/Linux. Valve stört sich insbesondere daran, dass Microsoft mit Windows 8 und Nachfolger 10 einen eigenen Windows-Store eingeführt hat, den das Unternehmen als Konkurrenz für den Vertrieb von Spielen sieht.

Noch ist Linux unter Gamern aber nach wie vor eine Randerscheinung. Bei der jüngsten Hardware-Abfrage unter Steam-Nutzern erreichte Linux inklusive Steam OS einen Anteil von 0,81 Prozent.

25 Jahre nach Linus Torvalds' erster öffentlicher Erwähnung von Linux in einer Newsgroup ist Linux damit fast überall angekommen - nur nicht da, wo die Linux-Community es spätestens seit den 1990er Jahren sehen wollte: auf dem Desktop-PC. Doch Torvalds hat auch diesen Welteroberungsplan noch nicht aufgegeben.

"Natürlich würde ich es begrüßen, wenn Linux auch noch diese Welt übernimmt", sagte Torvalds kürzlich auf das Thema angesprochen. "Doch es stellte sich heraus, dass das ein Bereich ist, der wirklich schwer zu knacken ist. Ich arbeite noch immer daran. Seit 25 Jahren. Ich kann das 25 weitere Jahre tun. Die spule ich auch noch ab."

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