Internet-Nutzung in der EU:Offline durchs Leben

Lesezeit: 2 min

Ein Leben ohne Google, Facebook und Youtube. Gerade für die jüngere Generation unvorstellbar. Und doch haben mehr als 15 Prozent der Deutschen noch nie eine Webseite geöffnet. Andere EU-Länder sind da schon weiter.

Nicht nur für Angela Merkel ist das Internet noch Neuland. Etwa jeder Siebte der 16- bis 74-Jährigen in Deutschland hat noch nie eine Webseite geöffnet oder eine E-Mail verschickt. Bei der Erhebung im Jahr 2010 war es noch jeder Sechste. Laut statistischem Bundesamt sind damit In Deutschland mehr Menschen im Internet aktiv als im EU-Durchschnitt - trotzdem reicht es EU-weit nur für einen siebten Platz.

22 Prozent der Einwohner in der EU sind noch offline. Gründe dafür gibt es viele. "Die Internetnutzung hängt vom Einkommen und seiner Verteilung, Investitionen in die Breitband-Infrastruktur, dem Bildungssystem, dem Einsatz von IT in Schulen, Behörden und Unternehmen und dem gesellschaftlichen Interesse an Innovationen ab", sagte Marc Thylmann vom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien.

Vorreiter Schweden, Schlusslicht Rumänien

Den EU-Durchschnitt treiben vor allem Rumänien, Griechenland und Bulgarien nach oben. Dort sind mehr als 40 Prozent der Menschen noch nie im Internet gewesen, weil es vielerorts an der nötigen Infrastruktur mangelt. Viele Menschen leben außerdem an der Armutsgrenze und können sich weder Computer noch Smartphone leisten. Wer in Rumänien allerdings einen Internetanschluss hat, surft häufig schneller als in der Bundesrebublik: Im Ausbau des Glasfasernetzes hat Rumänien die Deutschen im vergangenen Jahr abgehängt.

Netzaffin sind in der EU vor allem die Einwohner von Schweden, Dänemark, Luxemburg und Finnland. In diesen Ländern haben nur fünf bis sieben Prozent der Bevölkerung noch gar keine Erfahrungen mit dem Internet gesammelt. Grundsteine dafür werden häufig in den Schulen gelegt. In vielen finnischen Schulen lernen die Schüler an Notebooks und multimedialen Tischen. Einige Schulen statten ihre Schüler sogar direkt mit Mailadressen aus.

Nachholbedarf in deutschen Schulen

Zwar sind die jüngeren Deutschen besser mit dem Internet vertraut als ihre Großeltern, aber Experten sehen große Lücken. "An deutschen Schulen wird vor allem Angst vor den neuen Medien und Facebook gemacht", sagte Steffen Friedrich, Professor am Institut für Software und Multimediatechnik der Technischen Universität Dresden. In keinem Bundesland gebe es vorzeigbaren Informatikunterricht. "Die naturwissenschaftlichen Fächer werden seit 100 Jahren in Deutschlands Schulen unterrichtet, weil die Wirtschaft darauf angewiesen ist. In der Informatik tut sich seit 30 Jahren fast nichts."

Ausschlaggebend für die Zahl der Internet-Nutzer ist auch die Altersstruktur, denn die meisten Offliner sind zwischen 55 und 74 Jahre alt. Nur 58 Prozent von ihnen nutzten 2010 in Deutschland das Internet. Deutschland ist das Land mit der ältesten Bevölkerung in der EU.

Die Bundesregierung will Abhilfe schaffen und fördert bundesweit etwa 300 Seniorenbüros, die interessierten Silver-Surfern das Internet näher bringen sollen. Die Beratungsstellen bieten PC-Kurse an und setzen sich für ein barrierefreies Internet ein.

© Süddeutsche.de/laho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: