Ihre Frage:Wieso ist den Deutschen der Datenschutz so wichtig?

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Facebook muss sich wegen seiner Datenschutz-Politik immer wieder Kritik gefallen lassen - gerade aus Deutschland. Trotzdem nutzen die Hälfte der deutschen Internet-User das soziale Netzwerk. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Den Deutschen ist anscheinend Datenschutz so wichtig wie kaum einer anderen Nation. Aber wieso, und stimmt das überhaupt? Eine Leserfrage - jetzt beantwortet.

Ihre Frage

Gestellt von mehreren Lesern im Rahmen unseres Projektes "Die Recherche"

Viele Umfragen ergeben immer wieder, dass den Deutschen der Datenschutz im Vergleich zu anderen Staaten besonders wichtig ist. Woran liegt das? An den Erfahrungen mit zwei Diktaturen auf deutschem Boden? Wie erklären Sie sich das?

Unsere Antwort

Von Johannes Boie, SZ-Redakteur für digitale Themen

Datenschutz ist ein verhältnismäßig junger Begriff, der ein Problem in sich birgt. Das Wort bedeutet für jeden etwas anderes: Schutz der eigenen Daten, Schutz der Daten von Dritten, Schutz vor Regierungen, Arbeitgebern, Industrien, Ablehnung von Datenverarbeitung - es steckt drin, was derjenige, der den Begriff erwähnt, halt eben gerade meint. Und in der Tat: Gefühlsmäßig sind viele dieser Themen in Deutschland verhältnismäßig hoch bewertet, gerade im Vergleich mit anderen Ländern. Dafür gibt es verschiedene Gründe.

In Deutschland gab es in den vergangenen hundert Jahren gleich zwei Diktaturen, die Daten über ihre Bürger gesammelt und gehortet haben. Daraus hat sich ein grundsätzliches Misstrauen gegen staatliche Datensammlungen entwickelt. Liberale und linke Strömungen haben neue Abneigungen gegen Datenerhebungen in den Siebzigern und Achtzigern aufleben lassen, damals ging es um analoge Methoden wie zum Beispiel die Volkszählung.

Neben den geschichtlichen Gründen spielen sicher auch die zahlreichen Medienberichte eine Rolle, die sich speziell in den vergangenen Jahren viel um die Enthüllungen von Edward Snowden drehten, und um die Dystopie einer auf Datenauswertung basierenden Gesellschaft, in der Konzerne wie Google und Facebook und Geheimdienste wie BND und NSA jedes noch so kleine Detail im Leben der Bürger kennen. Doch wie groß ist die Sensibilität wirklich?

Für ein Land, in dem es keine existentielle Not gibt, kümmern sich die Deutschen nicht übermäßig stark um den Datenschutz. Ungefähr die Hälfte der deutschen Internetnutzer ist auf Facebook nicht nur registriert, sondern aktiv. Proteste gegen die massenhafte Überwachung der Bürger durch Geheimdienste haben jeweils nur ein paar Hundert Menschen auf die Straße gelockt. Das hängt nicht nur mit der unscharfen Definition des Wortes "Datenschutz" zusammen, sondern auch mit den beschränkten Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen. "Datenschutz" ist für die Deutschen also vielleicht eher ein wichtiger Begriff als eine tatsächlich wichtige Angelegenheit.

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