Fotografie:Gute Gründe für gute Kameras

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: N/A)

Handykameras machen schöne Bilder und drehen Videos in Top-Qualität. Aber kaum wird es dunkel, beginnen die Probleme. Gutes Equipment ist teuer, zahlt sich aber aus.

Von Helmut Martin-Jung

Was unterscheidet eine Leica Kamera aus dem Jahr 1950 von einer aus 1970? Nicht allzu viel. Zumindest erscheinen einem die Unterschiede gering, wenn man sich ansieht, wie sich digitale Kameras in den vergangenen 20 Jahren entwickelt haben. 1994 konnte man mit den wenigen Geräten, die es überhaupt gab, nur grobpixelige Bilder einfangen, die gerade so eben noch als Schnappschuss taugten. Ihr einziger Reiz war, dass man sie nicht entwickeln musste. Einfach den Auslöser drücken, und sofort erschien das Bild auf dem Monitor oder konnte per E-Mail versendet werden.

Und heute hat die digitale Revolution Hersteller wie Agfa und Kodak hinweggefegt. Das Fotografieren mit Film ist größtenteils wieder zu einer Sache für Experten und Künstler geworden. Die Masse der Bilder entsteht längst mit digitalen Kameras, davon wieder die Masse mit den winzigen Apparaten, die in Mobiltelefone eingebaut werden. Und das Beste daran ist: Die Qualität ist in vielen Fällen nicht mehr von der einer Amateur-Knipse zu unterscheiden. Braucht man also überhaupt noch einen Fotoapparat, und wenn ja, wofür eigentlich? Was können echte Kameras besser?

Wer früher eine Kompaktkamera mit einem Weitwinkel-Objektiv genutzt hat, wer sich keine Gedanken machen wollte, sondern einfach nur schnell den Moment festhalten, der braucht heutzutage in der Tat keine Kamera mehr. Denn das leisten mittlerweile auch Smartphones. Und noch eine ganze Menge mehr.

Die Bildqualität der Handy-Flaggschiffe ist erstaunlich hoch

Mit ihnen kann man nicht nur Fotos schießen, sondern auch Videos aufnehmen - manche der neuen Geräte zeichnen bereits in 4K-Auflösung auf, das ist schärfer als HD-Fernsehen. Topgeräte wie etwa das iPhone 6 bringen außerdem eine Bildstabilisierung mit. Diese rechnet Verwacklungen aus den Bildern heraus, sodass auch Videos, die zum Beispiel im Gehen entstanden sind, auf dem Bildschirm noch gut aussehen. Oder sie machen Aufnahmen in Super-Zeitlupe. Die kleinen Wundergeräte können diese Videos und natürlich auch Fotos sogar an TV-Geräte senden. Praktischer, bequemer geht's kaum noch - und auch die Qualität ist bei den Handy-Flaggschiffen überraschend gut.

Für Profis

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(Foto: N/A)

Wer bei Wind und Wetter draußen sein, wer Serienfotos in höchster Qualität hintereinander schießen muss, der macht keine Kompromisse und guckt auch nicht auf den Preis. Für den ist nur wichtig, dass seine Ausrüstung dann funktioniert, wenn er sie braucht. Profi-Qualität aber hat ihren Preis - allein für das Gehäuse von Canons EOS 1D x werden gut 5000 Euro fällig. Und wer sich jemals nach qualitativ hochwertigen Objektiven umgesehen, der weiß: Für ein paar davon wird mindestens noch einmal dieselbe Summe fällig. Es gibt Menschen, für die muss es auch beim Hobby immer das Beste sein, doch für die meisten tun es auch Kameras für weit weniger Geld. Das heißt nicht unbedingt, dass man bei der Bildqualität unzumutbare Kompromisse eingehen müsste. Denn auch Kameras fürs Halbprofi-Segment haben einen Vollformatsensor an Bord. Sie fangen mehr Licht ein, haben weniger Probleme als Kameras mit kleineren Sensoren, wenn es dunkel wird. Die kosten aber auch immer noch viel Geld. Das muss es einem dann schon wert sein.

Für Nostalgiker

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Hier ein Rädchen, dort eines. Und überall Knöpfchen - hatte man sich an eine der guten alten Kameras von früher erst einmal gewöhnt, mochte man nicht mehr missen, wie einfach die verschiedenen Parameter einzustellen waren. Einstellungen, Parameter - was das ist, für was das nötig ist? Wer so fragt, kauf sich lieber keine der Neuauflagen, die es mittlerweile von mehreren Herstellern gibt. Nikons Df kommt ganz bewusst im Gewand der analogen Nikon-Kameras von früher daher. Doch steckt das relativ kleine Gehäuse voller Digitaltechnik. Die aber lässt sich wie bei den Geräten von früher über Räder und Knöpfe steuern. In vielen Einsteiger-Kameras sind heute Programme eingebaut, die für bestimmte Situationen brauchbare Einstellungen anbieten. Anspruchsvolle Hobbyisten wollen das natürlich selber erledigen. Außerdem, das macht die Nostalgie-Knipse teuer, hat Nikon ihr einen Vollformat-Sensor eingebaut. Das Ding ist sozusagen maximales Understatement: Sieht aus, wie eine alte Kiste von Vati, ist aber ein Wunderwerk der Digitaltechnik.

Für Einsteiger I

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Grobe Regel: Je größer der Sensor einer Kamera, desto besser die Bildqualität. Aber Vorsicht - es geht hier nicht um die Megapixel. Denn werden zu viele Bildpunkte auf einen zu kleinen Sensor gequetscht, wird das Ergebnis eher schlechter. Es geht um die tatsächliche Größe des lichtempfindlichen Bauteils. Weil sich diese Erkenntnis allmählich herumgesprochen hat, gibt es seit einigen Jahren mehr und mehr kompakte Kameras mit größeren Sensoren. Samsungs NX 3000 gibt es bereits für etwa 300 Euro (samt Dreifach-Zoom-Objektiv). Sie bringt aber einen Sensor mit, wie er auch in Spiegelreflexkameras der Einsteiger-Klasse verbaut ist. Vergleichbar damit ist Sonys Alpha 5000, die ebenfalls für etwas über 300 Euro angeboten wird. Weil sie keinen Spiegel haben, kann das Gehäuse kleiner gebaut werden. Das meist mitgelieferte Objektiv lässt gegen andere wechseln, die Hersteller bauen ihre diesbezüglichen Programme ständig aus. Außerdem kann man über Adapter auch Objektive von Spiegelreflexen anschließen. Klein, leicht und doch gut.

Für Einsteiger II

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Wer sich für eine Spiegelreflexkamera interessiert, meint es etwas ernster und hat sich überlegt, dass sich Kameras dieser Bauweise nicht mal eben in die Jackentasche stecken lassen. Ihre Vorteile: Sie haben einen Sucher, in dem man den Bildausschnitt genau sieht - auch wenn es hell ist. Ihr Zubehörsortiment ist größer und die Einstellmöglichkeiten vielfältiger. Manche schwören auch auf die größeren Kameras, weil sie besser in der Hand lägen. Sonys Alpha 57 gehört preislich zum Einsteiger-Segment, ragt aber aus der Masse, weil sie zwar einen Spiegel hat. Der aber ist fest eingebaut. Den Großteil des Lichts lässt er durch, einen Teil lenkt er auf einen Sensor zur Scharfstellung. Vorteile: Das Scharfstellen geht schnell, auch beim Videofilmen, das Hochklappen entfällt. Nachteil: Man blickt im Sucher nicht durchs Objektiv, sondern auf das Bild, das der Sensor vom Objektiv bekommt - auf einen kleinen Monitor also. Der ist aber so gut, dass das kaum auffällt. Konkurrenzmodelle gibt es auch von den Etablierten, aber mit gewöhnlicher Spiegeltechnik.

Für Handyfans

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Alter, aber wahrer Spruch: Die beste Kamera ist die, die man immer dabei hat. Auch das hässlichste Foto aus einem Billig-Handy hat also seinen Wert, wenn nur irgendwie zu sehen ist, was mit einem Schnappschuss erfasst werden sollte. Aber die Ansprüche sind ja längst höher. Und gute Smartphones können den auch erfüllen - mit gewissen Grenzen. Das Nokia Lumia 1020 etwa bietet dank seines gewaltigen 41-Megapixel-Sensors sogar die Möglichkeit zu Zooms in guter Qualität. Es bleiben aber immer Aufnahmen mit einem weitwinkligen Objektiv. Der Effekt mit dem so hübsch verschwommenen Hintergrund - die Experten nennen das mit einem japanischen Lehnwort Bokeh - erzielt man damit nur, wenn man im Nahbereich fotografiert, zum Beispiel eine Pusteblume aus nächster Nähe. Gute Kameras bieten unter anderem Apples iPhone 6, Sonys Xperia Z3 und Samsungs Flaggschiffe. Man kann damit auch gut durchkomponierte Bilder machen, aber leichter tut man sich dann doch mit einem Apparat, der eben dafür gemacht wurde.

Das gilt zumindest bei Tageslicht. Wenn es dunkler wird, geraten die Handykameras dann doch an die Grenzen, die die Physik setzt. Und das liegt vor allem an ihrer geringen Größe. Da Handys flach sein sollen, müssen die Linsen und die Bildsensoren sehr klein sein. Sobald es also dunkel wird, leidet die Qualität von Handybildern.

Das ist allerdings nicht das einzige Manko. Manche Handys erlauben es zwar, Motive heranzuzoomen, aber das geht dann meist nur elektronisch. Die Qualität ist daher bescheiden. Bleibt also das Weitwinkelobjektiv. Das erfasst nur einen großen Winkel und verzerrt Gesichter, wenn man zu nahe rangeht. Damit kann man auch diesen Effekt nicht erzielen, den man an Profifotos oft so bewundert: Das Hauptmotiv, etwa der Kopf eines porträtierten Menschen, ist so scharf abgebildet, dass jede Pore und jedes Haar zu sehen ist. Der Hintergrund verschwimmt dagegen in völliger Unschärfe.

Das klappt umso besser, je weniger weitwinklig eine Linse ist. Genau deshalb haben Sportfotografen oder Paparazzi so lange Rohre auf ihren Kameras. Sie können damit entfernte Motive heranholen und zudem mit Schärfe und Unschärfe arbeiten. Welcher Bereich eines Fotos scharf zu sehen ist, wird darüber hinaus auch von der Blende beeinflusst. Je höher der Blendenwert, desto größer ist der Bereich, der scharf abgebildet wird, und umgekehrt.

Wer solche und andere Effekte gezielt einsetzen will, kommt um eine richtige Kamera nicht herum. Zwar erlauben sogar schon manche Handys manuelle Eingriffe, aber so richtig kann man an den Einstellungen nur mit einer besseren Kamera herumschrauben.

Größere Kameras liegen oft besser in der Hand als kleine

Da der Sprung vom Handy zu einer Kompaktkamera nicht mehr allzugroß ist (wenn überhaupt), hat sich in den vergangenen Jahren eine neue Klasse von Kameras etabliert, die mit Erfolg versucht, geringe Größe mit hoher Qualität zu verbinden. Die Rede ist von spiegellosen Systemkameras. Ihr Bildaufnahmesensor ist annähernd oder sogar gleich groß wie der von Einsteiger-Spiegelreflexkameras. Auch die Bildqualität ist vergleichbar, und die Objektive lassen sich ebenfalls wechseln. Ihren größten Nachteil nehmen viele gar nicht wahr, weil sie es sowieso nicht anders kennen: Es gibt keinen Sucher, sondern nur einen kleinen Monitor - bei hellem Sonnenlicht wird das aber zum Problem. Für manche dieser Kameras gibt es daher elektronische Sucher zum Aufstecken.

Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: N/A)

Spiegelreflexkameras sind größer, weil sie das Bild vom Objektiv über ein Pentaprisma in den Sucher leiten, und das erfordert Platz. Der Spiegel klappt zudem bei jeder Aufnahme nach oben weg, um den Weg frei zu machen für das Licht, das dann auf den Sensor fallen kann. Während ihre Größe sie weniger transportabel macht, liegen die größeren Apparate dennoch oft besser in der Hand als ihre miniaturisierten kleinen Verwandten. Außerdem gibt es meistens mehr Zubehör, vor allem mehr Objektive. Dem echten Enthusiasten reicht aber auch das noch nicht. Er greift zu Kameras, bei denen alleine der Aufnahmesensor mehr kostet als manche für eine gar nicht so schlechte Kamera ausgeben.

Bei Kameras mit sogenannten Vollformatsensoren sind die lichtempfindlichen Chips genauso groß wie früher ein Foto auf einem Kleinbildfilm, nämlich 24 mal 36 Millimeter. Zum Vergleich: Bei den Einsteiger-Spiegelreflexkameras sind die Sensoren meist nur 15,7 mal 23 Millimeter groß - weniger als die Hälfte.

Und was bringt's? Eine ganze Menge, an Qualität wie an Aufwand. Wegen der großen Sensoren müssen auch die Objektive noch einmal größer (und damit schwerer) sein. Da mehr Platz für die vielen Millionen lichtempfindlichen Punkte ist, können die mehr Licht einfangen. Klasse Fotos bei Kerzenschein? Bei diesen Kameras ist das kein Problem mehr.

Je mehr sich solche Kameras an den Profi richten, desto weniger findet man bei ihnen Automatikfunktionen, die unbedarfteren Fotoliebhabern das Leben sehr erleichtern können. Einfach viel Geld auszugeben, bringt also nicht unbedingt und automatisch die besten Fotos. Da heißt es dann schon Wissen sammeln, Handbücher lesen. Mit anderen Worten: Dann wird ein richtiges Hobby daraus. Und das macht eben nur Spaß, wenn man es richtig betreibt.

© SZ vom 17.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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