Bezahldienste übers Handy:Wie die neuen Aufstecker funktionieren

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Mit einem neuen Aufstecker für Smartphones wollen Start-ups Kartenzahlungen erleichtern - und setzen so etablierte Anbieter unter Druck.

Varinia Bernau

In dem kleinen Laden, den Armin Pichler seit fünf Monaten in Kreuzberg betreibt, gibt es rosa Turnschuhe und kleine Totenköpfe, die man sich an die Schuhe stecken kann. Dinge, die man kauft, weil sie einem zufällig aufgefallen sind. Nicht, weil man sie braucht. So gesehen sind die vielen Touristen, die durch den Berliner Kiez schlendern, für Pichler ein Segen. Sie sind aber auch ein Fluch: Touristen haben kaum Bargeld dabei. Sie zahlen lieber mit der Kreditkarte.

Damit Armin Pichler mit ihnen ins Geschäft kommt, hat er sich ein teures Lesegerät für Kreditkarten angeschafft. Er zahlt zudem eine monatliche Grundgebühr von 35 Euro. Und er tritt pro Zahlung noch einmal drei bis vier Prozent seines Umsatzes ab. "Für einen kleinen Händler ist das ein ordentlicher Posten", sagt Pichler.

Seit einigen Wochen hat er eine Alternative: sein iPhone. Dort, wo er sonst die Kopfhörer einstöpselt, kann er eine schwarze Plastikbox anschließen, kaum größer als eine Streichholzschachtel - und mit einem schmalen Schlitz für die Kreditkarte. Mit der dazugehörigen App macht sie aus dem iPhone - und bei anderen Händlern auch aus einem androidbetriebenen Smartphone - ein Kartenlesegerät.

Aus dem Silicon Valley

Die Idee stammt natürlich aus dem Silicon Valley. Dort hat Jack Dorsey, der einst auch die Idee zum Kurznachrichtendienst Twitter mit entwickelte, vor drei Jahren das Start-up Square gegründet - und Risikokapitalgeber für seine Idee gesucht, Kartenzahlungen über das Handy abzuwickeln. Inzwischen laufen über den Dienst mit seinen 400 Mitarbeitern in einem Jahr Transaktionen im Wert von acht Milliarden Dollar. Der Wert des Start-ups selbst, an dem Dorsey noch 26 Prozent hält, wird auf mehr als drei Milliarden Dollar geschätzt.

Und Square hat in Deutschland Nachahmer gefunden. Etwa das Start-up Payleven, das vor einigen Wochen werbewirksam Bratwurst auf dem Berliner Alexanderplatz verkaufen ließ. Ein Euro das Stück, zu zahlen per Kreditkarte. Oder den Dienst Sum up, der nun Armin Pichler und einigen anderen kleinen Händlern auf die Sprünge helfen will. "Vor zwei Jahren wäre das in Deutschland noch nicht möglich gewesen", sagt Stefan Jeschonnek, einer der Gründer des Dienstes. Denn damals gab es noch nicht genug Smartphones. Inzwischen kaufen nach Schätzung des Branchenverbands Bitkom sieben von zehn Deutschen, wenn sie sich ein Mobiltelefon zulegen, ein Smartphone.

Die teure Technologie, die in einem Kartenlesegerät steckt, hat heute also fast jeder in der Hosentasche. Das kleine Zusatzgerät zum Aufstecken, sagt Jeschonnek, lasse sich so günstig herstellen, dass der Anbieter es den Händlern kostenlos liefert. Auch die App dazu ist gratis. Sum Up lässt sich lediglich am Umsatz beteiligen - mit 2,75 Prozent. Eine so niedrige Gebühr ist eine Kampfansage an die lange und reichlich intransparente Kette von Banken, Kreditkartenunternehmen und Zwischenfirmen, die bislang bei Kartenzahlungen mitverdient haben.

Bei den Kreditkartenanbietern Mastercard und Visa heißt es, man begrüße neue Anbieter, weil sie dafür sorgen, dass die Kunden ihre Kreditkarte häufiger einsetzen. Tatsächlich bezahlen die Deutschen das allermeiste nämlich noch bar. Und wenn sie die Karte zücken, dann zumeist die EC-Karte. Laut Einzelhandelsverband haben die Deutschen im vergangenen Jahr fast 40 Prozent dessen, was sie im Laden ausgegeben haben, per Karte gezahlt - ein Betrag von insgesamt etwa 150 Milliarden Euro.

Der Anteil der Kartenzahlungen steigt seit etwa zehn Jahren kontinuierlich um etwa 1,5 Prozent - und zwar im selben Maße, wie die Bargeldzahlungen sinken. Und doch sind die Deutschen im Vergleich zu den Amerikanern, aber auch vielen Europäern zurückhaltend. In Deutschland, heißt es beim Verband des Einzelhandels, zahle die Mehrheit noch immer bar, weil sie es schätze, einen genauen Überblick darüber zu haben, wie viel noch im Geldbeutel ist.

Ohne Mahnung

Bei Sum Up gibt man sich, wie es sich für ein Start-up gehört, zuversichtlich - und verweist darauf, dass rein rechnerisch schon heute jeder Deutsche 1,5 Karten besitzt. "Wenn wir es möglich machen, dass die auch überall einzusetzen sind, dann ist der Markt riesig", schwärmt Jeschonnek. Es sind nicht nur kleine Boutiquen wie die von Armin Pichler, die er dabei im Visier hat. Es sind auch saisonale Händler, die davor zurückschrecken, sich mit einem Jahresvertrag an einen der etablierten Anbieter zu binden. Es sind Taxifahrer, die viel unterwegs sind und manchenorts für Kartenzahlungen auch noch eine Gebühr an die Taxizentralen abtreten müssen. Es sind Handwerker, die bislang Rechnungen an ihre Kunden geschrieben haben - und oftmals auch noch eine Mahnung.

Sogar Adidas setzt die Technologie in einem Laden in Hamburg ein. "Damit hatten wir nicht gerechnet", sagt Jeschonnek. Dem Sportartikler gehe es wohl weniger um die Kosten als ums Image. "Es wirkt cooler, seine Zahlung per iPad abzuwickeln." Die Kunden in Pichlers Laden in Kreuzberg, erzählt der Händler, finden es witzig, wenn der Kaufbeleg per SMS oder E-Mail auf ihrem Handy landet. Einen kleinen Schönheitsfehler aber habe das Ganze: Mit dem Finger müssen die Kunden auf Pichlers iPhone unterschreiben, gewöhnungsbedürftig für viele. "Aber mit einem Stift hätte ich einen extremen Verschleiß an Schutzfolien."

© SZ vom 19.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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