Wissenschaftliche Mitarbeiter:Risiko inbegriffen

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In der Forschung feststecken: In Bezug auf die Karriere trifft dies zu viele wissenschaftliche Mitarbeiter an deutschen Hochschulen.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Viele Mitarbeiter an deutschen Hochschulen sind prekär beschäftigt: befristete Teilzeitstellen, geringer Verdienst bei unbezahlten Überstunden. Hinzu kommt: Aus dem akademischen Flaschenhals ist ein Nadelöhr geworden.

Von Susanne Klein

Jeder fünfte Promovierte unter 45 Jahren bleibt der Hochschule trotzdem treu, die anderen wandern ab in die Wirtschaft oder den öffentlichen Dienst. Wer glaubt, die Schar der Getreuen sei deshalb klein, kann nachlesen: In der universitären Forschung und Lehre arbeiten 145 000 befristet Beschäftigte - 76 Prozent mehr als im Jahr 2000. Ohne sie müssten etliche Hochschulen den Betrieb so gut wie einstellen.

Die Zahlen stammen aus dem "Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs" (Buwin), den Bundesbildungsministerin Johanna Wanka am vergangenen Donnerstag von einer Gruppe unabhängiger Forschungsinstitute überreicht bekam. Ihre Pressestelle schickte dazu eine Meldung in die Welt, die manche verärgerte. "Wissenschaftliche Karrieren werden immer attraktiver", lautete der Titel. Nun, der Buwin beziffert ja wirklich einen Boom. Aber er attestiert dem Nachwuchs eben auch frustrierende Arbeitsbedingungen - und ein großes Karriereproblem: Die Professorenstellen, die ambitionierte Wissenschaftler irgendwann bekleiden wollen, haben seit dem Jahr 2000 nur um 21 Prozent zugenommen. Die Zahlen klaffen so weit auseinander wie noch nie, aus dem "akademischen Flaschenhals" ist ein Nadelöhr geworden. Für Frauen kommt erschwerend hinzu, dass sie geringere Zugangschancen auf eine Professur haben als Männer.

93 Prozent der Nachwuchswissen- schaftler sind befristet angestellt. In den USA sind es nur 14 Prozent

Und der Buwin verdeutlicht auch gravierende Folgen für die Lebensplanung. Neun von zehn wissenschaftlichen Mitarbeitern wünschen sich Kinder, beinah jeder zweite bleibt jedoch kinderlos. Dabei scheiden Frauen auf dem Karriereweg nach oben entweder häufiger aus dem Betrieb aus als Männer oder bleiben, wenn sie ihre akademische Laufbahn weiter verfolgen, öfter kinder- und partnerlos.

Johanna Wanka hat angesichts dieser Fakten das bereits Unternommene gelobt: Die Hochschulen dürfen befristet Angestellte vor und nach der Promotion jeweils sechs Jahre halten, das "Tenure-Track-Modell" von Bund und Ländern schafft 1000 neue Professorenstellen. "Ein Witz", sagt Mathias Kuhnt vom kürzlich gegründeten "Netzwerk für gute Arbeit in der Wissenschaft". Er fordert für alle Postdocs einen Personalplan, der sowohl die "zügige und dauerhafte Entfristung" als auch den weiteren Karriereweg strukturiert. Wie das zu realisieren ist? "Mehr Grundmittel für die Hochschulen, die sind langfristig planbar", antwortet der Soziologe der TU Dresden. Dann rechnet er vor, dass zum Beispiel die Universitäten Sachsens mindestens jeden zweiten Nachwuchswissenschaftler aus befristeten Drittmitteln finanzieren müssen.

Tatsächlich ist das Problem ein strukturelles - und ein deutsches. 93 Prozent der Wissenschaftsmitarbeiter sind hier befristet angestellt. Laut Vorgänger-Buwin sind es in Frankreich und England weniger als 30, in den USA sogar nur 14 Prozent. Es geht also auch anders.

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