March for Science:Von Washington bis Helgoland

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Im Februar protestierten Forscher in Boston gegen Präsident Trump. (Foto: AP)

Auf der ganzen Welt wollen Tausende Menschen am Samstag, 22. April für die freie Wissenschaft demonstrieren. Der Autor und Regisseur Claus Martin hat den "March for Science" nach Deutschland geholt.

Von Paul Munzinger

Angefangen hat alles mit der Wahl Donald Trumps, doch der "March for Science" soll weit mehr sein als ein Protest gegen den neuen US-Präsidenten. Es soll eine weltweite Demonstration werden für die Freiheit der Wissenschaft, ein globaler Aufstand gegen "alternative Fakten". In mehr als 500 Städten wollen am kommenden Samstag, den 22. April, Tausende Menschen auf die Straße gehen, auch in Deutschland. In zahlreichen Städten, darunter Berlin, München, Hamburg, Leipzig, Dresden, Frankfurt, Stuttgart und Göttingen, sind Demonstrationen angemeldet. Namhafte deutsche Wissenschaftsorganisationen unterstützen die Proteste, ebenso wie zahlreiche Nobelpreisträger.

Mitinitiator ist der Bochumer Autor und Regisseur Claus Martin. Als er hörte, dass es nach dem "Women's March" für die Rechte der Frauen in Washington auch eine Demonstration für die Freiheit der Wissenschaft geben wird, machte er sich an die Arbeit, um die Aktion auch nach Deutschland zu holen. Er richtete einen Twitter-Account ein, gründete eine Facebook-Gruppe, brachte Interessierte zusammen, sammelte Geld über eine Crowdfunding-Kampagne. 20 Märsche für die Wissenschaft sind mittlerweile angemeldet, sogar auf Helgoland wird es einen geben.

Martin erwartet insgesamt bis zu 30 000 Teilnehmer, wenngleich in Deutschland auf der Wissenschaft kein Druck wie etwa in der Türkei, in Polen oder Ungarn laste. Auch Trump, der praktisch täglich neu definiert, was wahr ist oder sein soll, ist weit weg. "Aber es geht uns darum, dass es so bleibt", sagt Martin. "Wir wollen ein starkes Signal senden, dass populistische Kräfte auch in Deutschland nicht noch stärker werden dürfen. Ich fürchte, sie sind schon stark genug." Martin hofft, dass in großer Zahl auch Menschen auf die Straße gehen werden, die wie er selbst keine Forscher sind. Es handle sich bewusst um einen Marsch für die Wissenschaft, nicht für Wissenschaftler.

Es gebe unterschiedliche Meinungen in der Gesellschaft, sagt Martin, und über die müsse man streiten. Davon lebe die Demokratie. Doch es gebe auch Fakten, über die man nicht streiten dürfe: dass zwei und zwei vier ergibt, zum Beispiel. Oder dass der Klimawandel existiert und eine Bedrohung für die Zukunft der Menschheit darstelle. Die verbreiteten Zweifel am Klimawandel in der Trump-Administration, verbunden mit gekürzten Forschungsgeldern, sind der Hauptgrund, warum der "March for Science" in den USA ins Leben gerufen wurde.

"Wir leben in einer Zeit, in der wissenschaftliche Fakten anscheinend keine Rolle mehr spielen", heißt es in einem kurzen Film, den Martin für die Facebook-Seite des deutschen "March for Science"-Ablegers produziert hat. "Wenn einem wissenschaftlich erwiesene Tatsachen nicht gefallen, kann man sie neuerdings einfach leugnen oder alternative Fakten erfinden." Ans Ende des Videos hat Martin einen Satz aus George Orwells Roman "1984" gestellt: "Freiheit ist die Freiheit zu sagen, dass zwei und zwei vier ergibt". Martin ist überzeugt, dass es diese Freiheit heute wieder zu verteidigen gilt.

© SZ vom 18.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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