Hochschulrektorenkonferenz:Deutschland sucht den Super-Rektor

Lesezeit: 3 min

Gebraucht wird ein Lautsprecher, der gleichzeitig Moderator ist: Die Hochschulrektorenkonferenz sucht einen neuen Chef. Bewerber für den Posten als Ober-Lobbyist sind allerdings nicht in Sicht.

Johann Osel

Margret Wintermantel blühte gleich richtig auf in der neuen Rolle. Demokratisierung der arabischen Welt, globale Probleme wie Klimawandel oder Hunger - hier soll der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) künftig Akzente setzen. Seit Januar ist Wintermantel Präsidentin der Organisation, noch allerdings steht bei ihr nicht nur DAAD auf dem Briefkopf, sondern auch HRK - die Hochschulrektorenkonferenz, deren Vorsitz sie seit 2006 innehat.

Am 24. April wählen Deutschlands Uni-Chefs ein neuen Ober-Rektor. Und eigentlich müssten sich schnell Interessenten finden für den prominenten Job. Tatsächlich aber ging bisher kein Finger demonstrativ nach oben. Das hat mit Taktierei zu tun, liegt aber wohl auch daran, dass das Amt heutzutage mehr Unbill als Dank bringt. Wintermantels zweite und laut Satzung letzte Amtszeit läuft bis August. Der hastige Griff nach der DAAD-Stelle erweckt aber fast den Eindruck: Nichts wie raus hier aus dem Laden!

Die HRK sieht sich als "Stimme der Hochschulen", 266 Standorte sind Mitglied. Sie muss Klammer und Sprachrohr zugleich sein, also einerseits die Reihen schließen, andererseits Forderungen in der Politik durchboxen. Eine bloße Repräsentanz mit professoralem Habitus ist da längst nicht mehr gefragt. Kürzlich hat der HRK-Generalsekretär alle Mitglieder um Vorschläge für die Spitze gebeten - amtierende oder frühere Rektoren kommen in Frage, theoretisch könnte jede Uni den Hut des eigenen Chefs in den Ring werfen. Es handelt sich um ein Hauptamt, für das der bisherige Posten aufzugeben ist - anders ist es bei den Vize-Präsidenten. Ende März werden die Bewerbernamen veröffentlicht, in der Wahl ist eine relative Mehrheit nötig.

Ein Macher oder ein Moderator?

Bei Bekanntwerden der Vakanz wurde in Kreisen sofort Dieter Lenzen genannt. Der HRK-Vize genießt in der Hochschulszene einen Ruf als Star und als Polarisierer zugleich. Er trimmte die früher in Teilen behäbige FU Berlin auf Elitekurs, 2009 wurde er nach Hamburg berufen, um dort ähnlich zu wirken. Der Erziehungswissenschaftler gilt als Macher-Typ, wirtschaftsnah (für manche Beobachter zu stark), mitunter bissige Eloquenz kommt hinzu. Kürzlich aber sagte er per Pressemitteilung ab, er wolle sich der Zukunft der Hamburger Uni widmen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll er intern vergeblich angeregt haben, das Präsidentenamt wieder wie früher nebenamtlich zu besetzen.

Nun richtet sich der Blick auf die weiteren Stellvertreter Wintermantels. Der Jenaer Uni-Chef Klaus Dicke, der als ausgleichender Charakter gilt und die Anliegen der Ost-Unis beflügeln könnte? Sein Sprecher will Ambitionen weder bestätigen noch dementieren. Der Erlanger Präsident Karl-Dieter Grüske? "Ich wurde mehrfach darauf angesprochen, stehe aber derzeit nicht zur Verfügung", sagte er der SZ.

Der Darmstädter Präsident Hans-Jürgen Prömel, der als Oberhaupt einer autonomen Uni unabhängig vom hessischen Ministerium erfolgreich ist. Er will sich "noch nicht positionieren", heißt es. Außerhalb des jetzigen Präsidiums prescht keiner vor. Johann-Dietrich Wörner, Prömels Vorgänger in Darmstadt und Chef des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, sagen Beobachter den Wunsch nach einer Rückkehr in den klassischen Uni-Bereich nach; der Heidelberger Rektor Bernhard Eitel punktete 2011 bei der HRK-Jahresversammlung als stolzer Gastgeber. Ambitionen seien ein "Gerücht", versichern beider Sprecher. Unklar ist, wer sich im Stillen für eine Kandidatur warmläuft.

Der Handstreich funktioniert nicht mehr

Oder ist das Amt gar nicht so attraktiv im Vergleich zum Chefsessel an der Uni? Heutige Probleme können nicht mehr per Handstreich gelöst werden; das zeigt das momentane Chaos um ein zentrales Zulassungssystem für Studenten. Wintermantel musste das 2009 bei den Protesten gegen die Umsetzung der Bologna-Reform erfahren. Die Studenten seien "furchtbar ungeduldig", hatte sie gesagt. Plötzlich stand nicht mehr die Politik am Pranger, sondern sie persönlich galt als Buh-Frau. Nur selten werden Wintermantel spätere Verbesserungen der Reform zugerechnet, auch wenn sie diese selbst angestoßen hatte. Zuletzt konzentrierte sich ihr Job fast nur auf ein Dauer-Lamento über die schlechte Grundfinanzierung der Hochschulen.

Auch die Gliederung der HRK könnte Rektoren das Interesse an einer Kandidatur vergällen. Die Länder gestehen ihren Unis mittlerweile Kompetenzen zu, die früher behördlich erledigt wurden. Diese "Hochschulautonomie" erfordert Manager an der Uni-Spitze, die dann entsprechend selbstbewusst auftreten. Ein HRK-Präsident muss eine Schar souveräner Fürsten auf Linie bringen. Darüber hinaus rangieren unter den Mitgliedern neben Unis und Fachhochschulen inzwischen viele weitere spezielle Einrichtungen, auch florieren Untergruppen wie der Verband der starken Technik-Unis.

"Heutzutage kann man den Laden gar nicht mehr richtig zusammenhalten. Der Anspruch, für die Hochschulen zu sprechen, ist nicht mehr realisierbar", sagt ein Stratege im direkten HRK-Umfeld. Und angesichts der Neu-Mitglieder komme man "mit der klassischen Arroganz eines Universitätspräsidenten nicht weit" - da täte ein Versöhner gut. Andererseits gelte die HRK beim Kampf um Fördergeld im Vergleich zu außeruniversitären Granden wie Max-Planck oder Fraunhofer als schwächstes Glied - ein abgebrühter Lautsprecher sei da nötig.

Ein HRK-Chef müsse "nach Mehrheiten schauen, nicht nach Konsens", sagte kürzlich Wintermantels Vor-Vorgänger Klaus Landfried der Deutschen Universitätszeitung. Zugleich solle er sich Freiheiten herausnehmen, "gelegentlich kriegt man einen auf die Nase, das muss man dann auch aushalten". Ein Heißsporn für die Außenwirkung, ein Moderator oder gar ein Super-Rektor, der beides kann? Es wird spannend, wie die Entscheidung der Rektoren ausfällt - sofern sie personell überhaupt die große Wahl haben.

© SZ vom 09.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Studieren mit Stipendium
:Ich studiere, du zahlst

Bildung ist Luxus? Wer knapp bei Kasse ist, muss nicht gleich seinen Traum vom Studium aufgeben. Eine große Auswahl an Stipendien macht das Leben leichter und den Abschluss erschwinglich. Welche Förderungsmöglichkeiten es gibt und worauf es bei der Bewerbung ankommt. Ein Überblick.

Daniela Otto

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: