Auftragsforschung:Vertrauen und Kontrolle

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Über Forschungsprojekte, die von der Wirtschaft finanziert werden, müssen Hochschulen je nach Bundesland mal mehr, mal weniger informieren.

Von Susanne Klein

Was sie aktuell erforschen und wie viel ihnen das wert ist, das behalten Firmen gern für sich - zumindest, bis aus ihrem Projekt ein Produkt geworden ist. Warum auch nicht, wenn ihr Betriebsgeheimnis kein Gesetz umgeht? Was aber, wenn die Entwicklung eines Medikaments oder Halbleitermoduls nicht im eigenen Labor mit eigenen Experten stattfindet, sondern in einer staatlich finanzierten Hochschule, die sich für diese Leistung bezahlen lässt, obwohl sie doch eigentlich im Dienst der ganzen Gesellschaft steht: Müssen solche Deals dann bekannt und somit kontrollierbar gemacht werden? Überwiegt dann das Auskunftsrecht der Öffentlichkeit das Schutzinteresse der Industrie? Für diese Frage sind die Bundesländer zuständig - und sie antworten sehr unterschiedlich darauf.

Einige Länder verlangen bei Fördergeldern, die Forschern neben den Mitteln der Hochschule und des Landes von dritter Seite zufließen, von ihren Unis Transparenz. Man verweist dort auf die Freiheit der Wissenschaft, die vor unternehmerischen Übergriffen geschützt werden müsse - hat aber auch jeweils eigene Ansichten, wie transparent die Transparenz denn sein soll. Andere Länder argumentieren: Wenn Unternehmen und Stiftungen Forschungsprojekte oder Professuren finanzieren, sind das willkommene, längst unverzichtbare Kooperationen von Wissenschaft und Wirtschaft, die nicht durch rigide Transparenzregeln erstickt werden dürfen. In diesem Lager wird betont, dass innovative Forschung praxisorientiert statt im Elfenbeinturm betrieben werden muss, also im Schulterschluss mit der Industrie.

Und dann sind da noch die Bundesländer, die sich heraushalten. Vier von ihnen haben nicht einmal ein Informationsfreiheitsgesetz, das Bürgern Zugang zu amtlichen Informationen zusichert. Darunter Sachsen, dessen Hochschulen bundesweit die meisten der sogenannten Drittmittel eintreiben: knapp 250 000 Euro je Professor und Jahr, aus Firmen- oder Privatkassen, von Konten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des Bundes oder der EU. Auch Bayern, Hessen und Niedersachsen haben kein derartiges Gesetz.

In Niedersachsen allerdings springt das Wissenschaftsministerium mit den "Leitlinien zur Transparenz in der Forschung" in die Bresche - und kommt damit erstaunlich weit. Seit sich Ministerium und Unis Anfang 2015 auf die Leitlinien einigten, listen die Hochschulen auf der amtlichen Homepage freiwillig ihre Drittmittelvorhaben auf, mit Auftraggeber, Laufzeit, Projekttitel und Fördersumme. Der Kompromiss: Hat die Uni dem Geldgeber Vertraulichkeit versprochen, werden die Informationen abstrakt gehalten. So erfährt man einerseits, dass The Lorenz Bahlsen Snack-World 2016/17 in der Uni Göttingen für 25 000 Euro die "Rohstoffbedingten Ursachen des Ölaustritts bei industriell hergestellten Frittierprodukten aus Kartoffeln" untersuchen ließ. Und andererseits, dass an der Uni Osnabrück eine "Privatperson" von 2013 bis 2016 mehr als 200 000 Euro in das Projekt "Geographie" investierte.

Bremer Forscher müssen über Kooperationen mit der Wirtschaft am gründlichsten informieren

Nordrhein-Westfalen hat sich die Regelungslücke dagegen in seinem Hochschulgesetz vorgeknöpft. Die vom Landesrechnungshof zuvor kritisierten "teilweise erheblichen Einflussnahmen der Stifter" auf die Besetzung und inhaltliche Ausrichtung von Stiftungsprofessuren führt im 2014 novellierten Hochschulgesetz zwar nicht zu neuen Regeln, dafür enthält es den neuen Paragrafen 71a zur "Transparenz bei der Forschung mit Mitteln Dritter". Er verpflichtet die Hochschulen, über diese Projekte einschließlich Thema und Geldgeber "in geeigneter Weise" zu informieren. Die Formulierung öffnet viele Türen: So können Projekte nur im Forschungsbericht der Hochschule erwähnt werden, und auch erst dann, wenn sie abgeschlossen sind. Muss ein Betriebsgeheimnis gewahrt werden, etwa weil sonst Industriespionage droht oder eine Marktstrategie vereitelt werden könnte, darf die Hochschule sogar überhaupt nicht informieren.

Auch Rheinland-Pfalz, wo am wenigsten Drittmittel in die Forschung fließen, macht großzügige Zugeständnisse. Dabei hat die Landesregierung dort 2015 extra ein Transparenzgesetz eingeführt: Demnach müssen Hochschulen zwar von sich aus Drittmittelprojekte mit Namen der Geldgeber, Summe und Laufzeit veröffentlichen, aber erst nach Projektschluss und nur, wenn sie damit kein Betriebsgeheimnis oder geistiges Eigentum gefährden.

Am stärksten nimmt Bremen seine Forscher an die Kandare. Der Stadtstaat, der beim erfolgreichen Einwerben von Drittmitteln nur noch von Sachsen und Berlin überrundet wird, beschloss im März 2015 weitgehende Änderungen in seinem Hochschulgesetz. Zum Verdruss vieler Stifter und Hochschulrektoren müssen Drittmittelverträge schon ab einer Höhe von 5000 Euro veröffentlicht werden. Ausnahmen sind möglich, wie das Wissenschaftsministerium auf Anfrage mitteilt, etwa "zum Schutze von Betriebsgeheimnissen" oder "wenn die Verträge Angaben zu patentreifen, aber noch nicht patentierten Erfindungen enthalten". Das Haus weist darauf hin, dass die EU schon lange eine sehr ähnliche Veröffentlichungspflicht vorsieht.

Das Bremer Gesetz zwingt die Hochschulen zudem, in einer Datenbank für Drittmittelforschung alle Projekttitel, Laufzeiten, wesentlichen Inhalte und Ziele sowie die Fördersummen und deren Geber zugänglich zu machen. Die öffentlich geäußerte Befürchtung des Rektors der Uni Bremen, das schrecke Auftraggeber aus der Wirtschaft ab, weist die Behörde zurück. An der Uni Bremen sei bei den Drittmitteln der Anteil aus der Wirtschaft sowieso sehr gering und bereits lange vor dem Gesetz gesunken, von 2,5 Prozent im Jahr 2006 auf 0,9 Prozent 2015. "Die Ursachen dürften also an anderer Stelle zu suchen sein", so die Behörde. Ausgestanden ist das Ringen um das richtige Maß an Transparenz damit vermutlich nicht.

© SZ vom 08.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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