Zeugnis für Goppel:Zwischen Sparzwang und Elite-Anspruch

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Wissenschaftsminister Goppel hat mehrere Mängel zu verwalten, dennoch peilt er mit den Unis die Weltspitze an.

Christine Burtscheidt

Am Ende hat Thomas Goppel begriffen, dass Spitzenforschung nicht ohne ausreichende Investition in die Breite zu erreichen und Kürzungen an den Hochschulen unverantwortlich sind. "Wir brauchen solide und bestmögliche Verhältnisse landesweit. Wir können unser Geld nicht ausschließlich nach Exzellenzpunkten verteilen", erklärte er nach dem zweiten Durchlauf des Elite-Wettbewerbs von Bund und Ländern.

Thomas Goppel: Seine Versetzung ist stark gefährdet. (Foto: Foto: dpa)

Zu Beginn seiner Amtszeit sah das anders aus. Da stand der Wissenschaftsminister im Bann von Stoibers Sparkurs. Statt dem Regierungschef die Stirn zu bieten, kleidete Goppel folgenschwere Beschlüsse in wolkige Bilder. Zu den zehnprozentigen Kürzungen, die Stoiber im Herbst 2003 über alle Ressorts und damit auch die Hochschulen verhängte, fiel dem Minister lediglich der Vergleich mit der Arbeit eines Gärtner ein, der im Herbst die alten Zweige abschneidet, um im Frühjahr Platz für neue Triebe zu schaffen.

An den Hochschulen entfachte der rigorose Kürzungsplan einen Sturm der Entrüstung. In seltener Einmütigkeit zogen Tausende Professoren und Studenten gegen den "Kahlschlag" im November 2008 auf die Straße. Angesichts des Widerstands verließ die CSU-Fraktion im Landtag der Mut, die Sparmaßnahmen knallhart durchzuziehen.

Sie versprach den Hochschulen bis zum Ende der Legislaturperiode Planungssicherheit, sofern jene eine einmalige Etatkürzung von vier Prozent akzeptierten. Der Deal gelang, und Goppel bemühte sich, finanzielle Einschnitte beim Personal so gering wie möglich zu halten. Seine Devise lautete: "Beton statt Köpfe". Ein Großteil der Sparziele wurde durch den Stopp dringend erforderlicher Sanierungsarbeiten an den Uni-Gebäuden erreicht.

Die Folgen ihrer strikten Sparpolitik holten die CSU schnell ein. An der Universität Regensburg mussten Hörsäle geschlossen werden, weil sich Betonteile lösten und die Sicherheit von Lehrenden und Lernenden gefährdeten. Doch selbst das nahm die CSU zunächst stoisch hin. Erst zum Ende der Legislaturperiode, nach Stoibers Wachablösung, signalisierte man Bereitschaft, den Sanierungsstau in Milliardenhöhe zügig abzubauen.

Lange wurden auch Warnungen der Uni-Rektoren in den Wind geschlagen, angesichts steigender Studentenzahlen rechtzeitig zusätzliche Studienplätze zu schaffen. Im Sommer 2007 bewilligte die Regierung schließlich eine Milliarde Euro, zierte sich jedoch noch ein weiteres Jahr, neben einem Personal- auch ein Raumprogramm aufzulegen.

Immerhin machte sich in der Staatsregierung überhaupt die Einsicht breit, dass die Hochschulen nicht als Sparobjekt taugen, sondern dringend Geld brauchen; zumal wenn man, wie es die CSU plant, in Lehre und Forschung zur Weltspitze aufschließen will. Doch mit Lehrdeputaten von 19 Wochenstunden an Fachhochschulen und Betreuungsrelationen in Uni-Seminaren von 60 Studenten pro Professor liegen die Einrichtungen Lichtjahre von US-Unis wie Harvard entfernt.

Will Bayern seine Hochschulen aus dieser Mittelmäßigkeit herausführen, das haben Gutachter wie die Mittelstraß-Kommission deutlich gemacht, muss der Staat zusätzlich investieren. Kein Ausweg aus der Unterversorgung können Erlöse aus privaten Quellen wie Spenden oder Forschungsmitteln der Industrie sein, die einzuwerben die Unis immer mehr angehalten werden.

Das führt, wie die Oppostion zu Recht sagt, nicht nur in einseitige Abhängigkeiten und gefährdet die Wissenschaftsfreiheit. Hier sind solche Quellen auch nicht ausreichend vorhanden, um nur annähernd die defizitäre staatliche Grundversorgung auszugleichen. Die Einnahmen aus den Studiengebühren etwa decken bestenfalls zehn Prozent eines Hochschul-Etats ab.

Die größte Überraschung war wohl, dass Massenproteste ausblieben, als die CSU das Erststudium im Sommer 2007 kostenpflichtig machte. Das mag Goppels Verdienst sein. Er scheute keinen Auftritt und setzte sich dafür ein, dass ein Viertel der Studentenschaft von den 1000 Euro jährlich ausgenommen ist. Ungeachtet dessen fehlt bis heute ein Stipendiensystem, das der Unterschicht zum Studium verhilft.

Obgleich sich die Bundesverfassungsrichter 2005 nur unter dieser Bedingung für Studienbeiträge aussprachen, hat die Politik sie bislang nicht geschaffen. Zinsgünstige Darlehen sind da keine Alternative, wenn sie nur bei zwei Prozent Zuspruch finden.

Hausgemacht ist nicht nur die Finanz-, sondern auch die Strukturkrise. Vor zehn Jahren entschloss sich die CSU, den Unis Autonomie zu geben. Wie im Ausland sollen sie Unternehmen werden und ihre Aufgaben in Lehre und Forschung einschließlich der Budget-Verwaltung selbständig erledigen. Letztlich können sie schneller und kompetenter an Ort und Stelle entscheiden, als ein Wissenschaftsministerium, das oftmals 300 Kilometer entfernt liegt.

Doch Bayern mit seiner zentralistischen Tradition tut sich schwer, seine Hochschulen mündig werden zu lassen. Zwar formulierten 2006 die Ministerialbeamten Goppel ein neues Gesetz, das auf ein Drittel der Paragrafen verzichtete. Noch immer aber hängen die Unis am staatlichen Gängelband. Sie haben kein Berufungsrecht, müssen bei jedem neuen Studiengang um Zustimmung beim Landtag bitten oder dürfen ihre Liegenschaften nicht selbst verwalten. Offenbar will sich der Staat nicht aus der Detailsteuerung zurückziehen, schon um weiter sparen zu können.

© SZ vom 15.09.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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