Zensus-Zahlen zu München:Wer sind wir - und wenn ja wie viele?

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Die wichtigste Zahl vorweg: 1.348.335. So viele Einwohner hatte München am 9. Mai 2011, dem Stichtag der jüngsten Volkszählung. In den Ergebnissen ist Erstaunliches zu entdecken. Zum Beispiel gibt es fünf Mal mehr Witwen als Witwer - und 11.902 Wohnungen haben noch immer keine Dusche und WC.

Von Silke Lode

Die Ergebnisse des Zensus sind eine schier endlose Fundgrube für Planer, Politiker und Zahlenfans. Eine halbe Milliarde Datensätze sind in der Datenbank zur Volkszählung gesammelt, die auf der Seite www.zensus2011.de frei zugänglich ist. Doch gibt es zwischen all diesen Zahlen eine, die für die Leiterin des Statistischen Amts der Stadt München, Uta Thien-Seitz, die wichtigste ist: 1.348.335. Das ist die amtliche Einwohnerzahl mit Stand 9. Mai 2011, dem Stichtag des aktuellen Zensus. "Für uns ist diese Zahl wichtig, weil daran auch der Finanzausgleich innerhalb Bayerns hängt", erklärt Thien-Seitz.

Auf große Änderungen muss München sich allerdings nicht einstellen. Bisher wurde die Einwohnerzahl immer auf Basis der Volkszählung von 1987 und mithilfe des Melderegisters fortgeschrieben. Andere Städte haben durch die jüngste Zählung durchaus Überraschungen erlebt: Berlin zum Beispiel hat 180.000 Einwohner weniger als erwartet und kommt nur noch auf eine Bevölkerung von 3,3 Millionen. Hamburg ist mit 1,7 Millionen Einwohnern Deutschlands zweitgrößte Stadt, dort leben aber ebenfalls 83.000 Menschen weniger als gedacht.

In München haben sich nur kleinere Ungenauigkeiten eingeschlichen: Die Stadt hat 11.000 Einwohner weniger als erwartet. Eine deutliche Differenz gibt es allerdings zwischen dem Melderegister und der amtlichen Einwohnerzahl. Ende März 2013 kam das Melderegister schon auf mehr als 1,4 Millionen Münchner, zum Stichtag 9. Mai 2011 hatte es 42.000 Bürger mehr gezählt als der Zensus. Wie die Stadt mitteilt, lässt sich der Unterschied mit den verschiedenen Erfassungsmethoden erklären.

Frauen in der Überzahl

Überraschungen und interessante soziale Einblicke bietet die aktuelle Zählung gleichwohl: So leben in München deutlich mehr Frauen als Männer, 697.670 Damen kommen auf 650.660 Herren. Für die Differenz ist vor allem der deutsche Teil der Bevölkerung verantwortlich, bei Menschen ohne deutschen Pass halten sich die Geschlechter etwa die Waage. Deutlich bestätigt die Statistik auch, dass vor allem Frauen sich im Alter an ein Leben ohne Partner gewöhnen müssen: Die Zahl der Witwen ist fast fünfmal so groß wie die der Witwer.

Auffällig ist auch, dass die Münchner weniger religiös sind als der Rest Bayerns: Während im gesamten Freistaat drei Viertel der Bevölkerung katholisch oder evangelisch sind, gehört in der Landeshauptstadt nur gut jeder Zweite einer der beiden großen christlichen Konfessionen an. 535.000 Katholiken und 196.000 Protestanten leben in der Stadt, 616.000 Menschen bekennen sich zu einer anderen oder keiner Religion.

Untypisch in Bildungsfragen

Auch in puncto Bildung sticht die Großstadt München hervor: 300.000 Menschen haben keine Berufsausbildung, 350.000 besitzen einen Hochschulabschluss. Dieses Verhältnis ist weder für den Landes- noch für den Bundesschnitt typisch: Insgesamt gibt es in Deutschland zwar mehr als zehn Millionen Hochschulabsolventen, aber auch 18 Millionen Menschen, die gar keine Ausbildung haben. Beim Arbeitsmarkt sticht heraus, dass München eindeutig eine Dienstleistungsstadt ist: 83 Prozent der Erwerbstätigen arbeiten in diesem Sektor, nur 16,6 Prozent sind in der Produktion tätig. Deutschlandweit sind das 29,4 Prozent - und nur 68,5 Prozent im Bereich Dienstleistung.

Eine andere Tatsache hat sich ebenfalls bestätigt: München ist eine Einwandererstadt. Jeder dritte Bürger stammt aus einer Migrantenfamilie, das heißt wenigstens ein Elternteil wurde nicht in Deutschland geboren. Bei den Jugendlichen ist dieser Anteil noch größer: Fast jeder zweite hat einen Migrationshintergrund. Ganz anders sieht es bei den Menschen über 65 aus: 210.000 deutsche Senioren stehen nur 37.000 älteren Migranten gegenüber.

Eine Zahl klingt phantastisch, sie ist es aber nicht: In München gibt es 17.400 freie Wohnungen. Das entspricht einer Leerstandsquote von nur 2,1 Prozent, die von den Statistikern allein mit der Fluktuation erklärt wird und Münchens Wohnungsproblematik unterstreicht. Zum Vergleich: In ganz Bayern stehen 236.900 Wohnungen leer, das sind immerhin 3,9 Prozent. Weil die Münchner alles interessiert, was mit Immobilien zu tun hat, hier noch einige Fakten: Durchschnittlich ist eine Wohnung hier 70,8 Quadratmeter groß und sie hat 3,3 Zimmer. Und tatsächlich gibt es in der ganzen Stadt noch 11 902 Wohnungen, die weder eine Dusche noch ein WC haben.

Das einzige Thema, das im Alltag ähnlich viel Gesprächsstoff bietet, sind die regelmäßig überquellenden U- und S-Bahnen. Kein Wunder: Von den knapp 600.000 Erwerbstätigen pendeln 545.000 innerhalb der Stadt zu ihrem Arbeitsplatz. Fast 145.000 machen sich auf den Weg ins Umland, und weitere 355.000 pendeln zur Arbeit nach München. Und natürlich fahren auch Schüler, Senioren und andere Leute ohne Job mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, die in dieser Statistik noch gar nicht auftauchen.

© SZ vom 01.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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