Von der Quelle bis zur Mündung:Der Schlangenfluss

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Die Wörnitz fließt vom romantischen Franken bis ins schwäbische Donauwörth und gilt als der langsamste Zufluss der Donau. Als kurvenreichster, fischreichster und einer der schönsten Wasserläufe Bayerns bietet sie ein Kontrastprogramm zum Alltagsstress

Von Stefan Mayr

Das Wasser plätschert, die Vögel zwitschern und es duftet nach Misthaufen. Ein schlichter Steinblock mit Fische-Relief, ein Wasserhahn, eine Grünfläche mit Ruhebank, links und rechts ein Fachwerkhaus, fertig ist die Sehenswürdigkeit. Die Wörnitzquelle im mittelfränkischen Städtchen Schillingsfürst ist wunderbar unaufgeregt und unspektakulär gestaltet. Das passt perfekt zu dem, was das Flüsschen in seinem Lauf vom romantischen Franken bis ins schwäbische Donauwörth bieten wird.

Die Wörnitz gilt als der langsamste Zufluss der Donau. Sie ist einer der kurvenreichsten, fischreichsten und schönsten Flüsse Bayerns. Ein erholsames Ziel für genervte Zeitgenossen, die ein Kontrastprogramm zum Alltagsstress suchen. Wo die Wörnitz sich durch die Landschaft schlängelt, ist kein Platz für Hektik. Hier sind das geschäftige Stadtleben und jeder Bauboom weit weg. Der Wörnitz-Radweg führt durch ein dünn besiedeltes Stückchen andere Welt. Aber mancherorts bietet er auch ein bisschen Spektakel, das auch Kinder und Jugendliche begeistern kann. Zum Beispiel gleich drei Fluss-Freibäder, eines schöner als das andere. Oder jede Menge Störche an verschiedenen Orten. Oder den wohl schiefsten Turm nördlich von Pisa.

Die Wörnitz schlängelt sich durch Mittelfranken und Schwaben. (Foto: Ferienland Donau-Ries e.V)

Die Anwohner nennen die Wörnitz im Dialekt "Wenz". Die Kelten nannten sie "Warantia", also "die sich Krümmende". Recht hatten sie, denn weil sie gar so langsam fließt, bildete sie im Laufe der Jahrtausende viele Schleifen und Bögen. Und weil sie bis heute weitgehend naturbelassen ist, wird sie auch "Schlangenfluss" genannt.

Wie in Zeitlupe schlängelt sie sich am Örtchen Wörnitz vorbei. Das ist zwar vor allem durch seinen wenig ansehnlichen Autohof mitsamt Gewerbegebiet bekannt, hat aber auch einen beschaulichen Ortskern mit Fachwerkhäusern. Mehr Zeit sollte man auf jeden Fall für die Altstadt von Dinkelsbühl einplanen, die von der Wörnitz sanft umarmt wird. Um die gesamte Stadtmauer führt ein Radweg herum. Angesichts der gut erhaltenen Wehranlage staunt man und fragt sich, ob irgendwann ein Zyklop alle Stadtmauertürme Bayerns abgerissen und hier wieder hingestellt hat. Nördlich vom Wörnitz-Tor ist das historisch anmutende Strandbad, hier kann man seine Kinder noch in einen echten Fluss springen lassen, ohne dass sie gleich abgetrieben werden. Aber irgendwann sollte der Besucher unbedingt durch eines der Tore gehen, um die Innenstadt zu genießen. Eine Pflichtstation.

Auf dem Weiterweg nach Wassertrüdingen erscheint am Horizont bereits der Hesselberg mit seinem rot-weiß gestreiften Funkturm. Kurz vor Weiltingen segelt ein Storch durch die Luft und lässt sich auf den Wiesen zwischen den Wörnitz-Kurven nieder. Ein erhebender Beweis dafür, dass die Natur wenigstens hier noch einigermaßen intakt ist.

In Wassertrüdingen wartet neben dem zweiten Fluss-Freibad der zweite Storch: Er sitzt in seinem Nest hoch droben auf der Spitze eines Baumes und klappert, was der Schnabel hergibt. Er hat sich quasi direkt neben dem Wörnitz-Radweg niedergelassen, der Vogel hat offenbar ein feines Näschen für Tourismusmanagement. Das Wörnitzbad selbst ist modern und groß, eine Wasserrutsche geht direkt in den Fluss. Für die Kleinen gibt es einen Matschplatz zum Bauen von Gräben und Schlangenflüssen. Auf die Großen wartet ein Kneipp-Becken. Der Kiosk ist für alle da. Der Eintritt ist frei.

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(Foto: Stefan Mayr)

Auf der Insel Ried gewährt der Brückenheilige Johannes Nepomuk Reisenden ein sicheres Überqueren der Wörnitz.

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(Foto: Stefan Mayr)

Wie der Fluss im späteren Verlauf winden sich die Fische auf dem Quellbrunnen der Wörnitz in Schillingsfürst auf der Frankenhöhe.

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(Foto: Florian Trykowski)

Blick auf Donauwörth oder: Wo Donau und Wörnitz (rechts) sich treffen.

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(Foto: Florian Trykowski)

Das breite Wörnitztal eignet sich bestens zum Genussradeln.

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(Foto: Ferienland Donau-Ries e.V)

Oberhalb des gleichnamigen Städtchens thront die Burg Haburg, unten fließt die Wörnitz geruhsam ihres Weges.

Auch Oettingen kann ein Wörnitz-Flussbad (sogar mit Bootsverleih) bieten und gleich mehrere Störche. Auf dem Marktplatz kann man gemütlich Eis essen oder Cappuccino trinken mit Blick auf ein Storchennest. Wer Glück hat, kann gleich mehrere Störche gleichzeitig über dem Marktplatz kreisen sehen. Oettingen darf getrost als Bayerns Storchenhauptstadt bezeichnet werden - und wartet auch mit einer architektonischen Besonderheit auf. Auf einer Seite des Marktplatzes haben alle Häuser Fachwerk-Fassaden - und auf der anderen Seite ausschließlich Barock-Giebel. Grund: Oettingen war drei Jahrhunderte lang eine geteilte Stadt mit einer unsichtbaren Mauer zwischendrin. Hier die Katholischen, dort die Evangelischen. "Es gab hier alles zweimal", sagt Petra Ostenrieder vom Heimatmuseum. "Es gab zwei Schulen, zwei Hebammen und zwei Nachtwächter." Nur beim Henker wurde eine Ausnahme gemacht. "Der wurde alternierend besetzt", sagt Ostenrieder.

Ein ähnliches architektonisches Kuriosum steht weiter flussabwärts im Örtchen Munningen: Wer dessen Kirchturm zum ersten Mal erblickt, möchte sofort die Feuerwehr anrufen wegen akuter Einsturzgefahr. Aber das Teil steht schon seit Ewigkeiten so herum - vom Boden bis zur Spitze nicht weniger als 1,47 Meter aus dem Lot.

Kurz bevor die Wörnitz in Donauwörth in die Donau mündet, gibt sie nochmals ihr Bestes. Sie umfließt die Insel Ried, diese ist das Herz der Kreisstadt. Hier haben sich einst die ersten Fischer niedergelassen. Heute ist es eine ruhige Oase mit Altstadtflair weit weg von den lärmenden Autostraßen. Nur 500 Meter weiter fließt die braune, brave Wörnitz dann in die grünliche, reißende Donau. Wenig später kommen schon die ersten Stromschnellen und eine viel befahrene Autobrücke. Das war's dann mit der Beschaulichkeit.

Für den Tipp danken wir Leonhard Grabler aus Ehekirchen.

© SZ vom 26.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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