Stimmkreis Ebersberg:Pragamatische Lobbyistin mit Bodenhaftung

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Die CSU-Kreisvorsitzende und Sozialministerin Christa Stewens ist die einflussreichste Politikerin im Landkreis. Die 63-Jährige will noch lange nicht aufhören.

K. Kampwerth

Sie ist CSU-Kreisvorsitzende, bayerische Sozialministerin, Stellvertreterin von Ministerpräsident Günther Beckstein und damit die einflussreichste Politikerin im Landkreis. Doch obwohl die landespolitischen Aufgaben von Christa Stewens stetig gewachsen sind, seitdem sie 1994 erstmals in den bayerischen Landtag gewählt worden ist, kommt sie gerne in ihre Heimat zurück. "Hier finde ich meine Bodenhaftung", sagt Stewens und erklärt damit, warum sie sich immer noch ernsthaft kommunalpolitisch engagiert.

Die 63-jährige Christa Stewens will noch lange nicht mit der Politik aufhören (Foto: Foto: Niels P. Jørgensen)

Seit 1978 sitzt Stewens, die im August ihren 63. Geburtstag feierte und für die Landtagswahl am 28. September auf Listenplatz 2 der CSU kandidiert, im Ebersberger Kreistag. Ihr Mandat nimmt sie fast regelmäßig wahr. Wohl auch, um den einen oder anderen Bürgermeister dort ein wenig schneller auf Wege zu bringen, die sie in ihrer ministeriellen Verantwortung eingeschlagen hat.

Wie etwa bei der Einführung des Bayerischen Kinderbildungs- und -Betreuungsgesetzes (BayKiBig) 2006. Der Paradigmenwechsel in der Finanzierung weg von der pauschalen und hin zu kindbezogener Bezuschussung sollte den Eltern mehr an Betreuungszeit geben und die Einrichtungen flexibler machen. Das einfache Motto: Je länger die Öffnungszeiten, desto mehr Geld gibt es.

Dabei hat Stewens den Protest der Erzieherinnen unterschätzt, die landesweit gegen das BayKiBig Sturm gelaufen sind. Im Nachhinein bezeichnet die Ministerin das Gesetz als einen der schwierigsten Meilensteine innerhalb ihrer politischen Karriere, das sie noch drei Jahre nach dessen Einführung verteidigen muss. "Aber ich wollte nicht länger mit ansehen, das Eltern um einen Kindergarten- oder Krippenplatz kämpfen müssen." Dass das nicht gut für junge Familien sein könne, wisse sie spätestens, seit ihre Schwiegertochter mangels Betreuungsplatz samt Baby und Wohnwagen nach Hamburg gefahren war, um dort Kunden zu besuchen.

Selbst innerhalb der eigenen Partei musste Stewens für das BayKiBig und den Ausbau der Betreuung für unter Dreijährige so manche persönliche Überzeugungsarbeit leisten, gilt doch in den Reihen der Konservativen nach wie vor die Meinung, dass Kinder am besten bei ihrer Mutter aufgehoben sind. Dass zumindest in ihrem Heimatlandkreis öffentlich umgedacht wurde, dafür musste Stewens bei widerspenstigen Bürgermeistern ein Machtwort sprechen. Wie etwa in Zorneding, wo erst nach ihrer Intervention eine Kinderkrippe eingerichtet worden ist.

Kind statt Abitur

Sich durchzubeißen hat die sechsfache Mutter früh gelernt. Ein kleiner Skandal war ihre erste Schwangerschaft 1965. "Ich besuchte ein Gymnasium der englischen Fräulein in Nymphenburg", erinnert sich die Ministerin. Und weil man dort mit einem dicken Bauch kein Abitur machen kann, verließ sie mit 19 Jahren die Schule ohne Abschluss. Sie heiratete Martin Stewens und kümmerte sich in einer Dachwohnung in München um den Nachwuchs, während der Ehemann sein Studium durchzog. Stewens verdiente ein wenig Geld dazu. "Ich habe Nachhilfe in Latein und Mathe gegeben, um uns als Ehepaar über Wasser zu halten."

Dass das keine Option für die Zukunft ist, erkannte sie mit dem Umzug nach Poing, wo ihr politischer Kampfgeist erwachte. "Ich habe dort in schwierigen Zuständen gerührt", sagt Stewens über die damalige Situation an der Poinger Grund- und Hauptschule. Ihr Sohn sollte in eine Wanderklasse mit 45 Kindern gehen. Weil sie sich getraut habe, das öffentlich in Frage zu stellen, sei sie in den Elternbeirat gewählt worden. Es folgten Mandate in Gemeinde- und Kreistag und 1975 als erste weibliche Kreisvorsitzende der CSU der Auftritt auf der größeren politischen Bühne. Ihre fleißige Parteiarbeit wurde 1998 mit einem Job in der Landesregierung belohnt. Stewens wurde Staatssekretärin im Ministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen. 2001 übernahm sie das Sozialministerium.

Hier will sie auch nach dem 28. September die Hausherrin bleiben. "Ich habe noch viel vor", hat die 63-Jährige bisher jede Anfrage nach einem Rückzug aufs Altenteil knapp beantwortet. Wichtig ist ihr dabei, dass man sie als Lobbyistin für jene versteht, die sonst oft am Rande der Gesellschaft stehen. Dass sie wohl auch aus der Erfahrung mit sechs Kindern heraus dabei oft pragmatische Lösungsansätze in ihre Politik mit einfließen lässt, ist für stur geradeaus denkende Menschen manchmal schwer nachvollziehbar. Das brachte ihr in der vergangenen Wahlperiode mitunter Schelte ein.

So wollte Stewens im Pflegebereich Hilfskräfte in die Berechnung der Fachkraftquote mit einbeziehen. Berufsverbände protestierten, mit quasi nicht ausgebildeten Pflegern auf eine Stufe gestellt zu werden und befürchteten den Qualitätsverlust in Heimen. Dabei hatte Stewens nicht nur aus Sparzwang gehandelt, sondern es gut gemeint. Schließlich gebe es Menschen, die ohne Fachausbildung hoch motiviert und geeignet für den Umgang mit pflegebedürftigen Menschen seien.

Kochen mit Hohlmeier

Politische Misserfolge sind für die Ministerin aber kein Beinbruch, mit dem sie sich jammernd in ihr Hauptquartier an der Winzererstraße in Schwabing zurückziehen würde. Als leidenschaftliche Zehn-Kilometer-Läuferin und Tennisspielerin weiß sie, dass man nicht immer gewinnen kann, Ausdauer aber auch zum Ziel führt. Die hat Stewens allemal. Wie jetzt im Wahlkampf, bei dem sie einerseits in ganz Bayern unterwegs ist, sich andererseits aber auch in ihrer Heimat blicken lässt, wenn landespolitisch Feierabend ist.

Da kocht sie in Zorneding mit Zweitstimmenkandidatin Monika Hohlmeier und den beiden Bezirkstagskandidaten Thomas Huber und Tobias Scheller, ist bei den Landwirten zugegen, frühstückt mit der Frauen-Union, feiert Sommerfeste in den Ortsverbänden. Und nimmt Kritikern aus den eigenen Reihen den Wind aus den Segeln, sich nicht ausreichend um ihre Heimat zu kümmern. Weil man die politische Frontfrau aber nicht kaltstellen wollte, hatte man ihr lieber im Kreisverband mehr Stellvertreter an die Seite gestellt, um sie organisatorisch zu entlasten. Dennoch hat Stewens die Kritik abgespeichert und bemüht sich besonders im Wahlkampf um Volksnähe, bei der sie auch mal ihre ministeriellen Muskeln spielen lassen kann. Wie zuletzt bei der Zornedinger Bürgerinitiative, die ihren Kindern erste Klassen mit 30 und mehr Schülern ersparen wollten. Dank der Intervention von Stewens gemeinsam mit Monika Hohlmeier und den Bezirkstagskandidaten im Kultusministerium war es gelungen, eine weitere Klasse einzurichten.

Es gibt auch viele, die stolz auf ihre Ministerin sind, weil sie den Landkreis aus ganzem Herzen unterstütze. Wie Landrat Gottlieb Fauth, der vor der Kommunalwahlen einmal gesagt hatte, dass er sich mit Stewens im Kabinett sicher sei, dass die Gelder für den Ausbau der Kreisklinik pünktlich fließen. Und die Ministerin selber? Sie schätzt, dass sie durch die kommunale Arbeit die Lebenswirklichkeit der Menschen nicht verpasst. Gleiches gilt für ihre Familie: "Ich weiß, welches Glück ich habe, 19 gesunde Enkelkinder zu haben."

© SZ vom 13.09.2008/jtr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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