Schwierige Wahrheitssuche:Die Chronik eines Skandals

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Seit fast 14 Monaten lastet die Parteispendenaffäre auf Regensburg - alles begann mit einer polizeilichen Durchsuchung städtischer Dienststellen

14. Juni 2016: 69 Kriminalpolizisten und sieben Staatsanwälte durchsuchen Diensträume der Stadt Regensburg sowie Privat- und Geschäftsräume. Die Staatsanwaltschaft teilt mit, dass sie gegen Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) und drei Bauunternehmer, darunter Volker Tretzel, wegen des Verdachts der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung ermittelt. Wolbergs lässt die Vorwürfe zurückweisen.

15. Juni 2016: Wolbergs sagt in einer Pressekonferenz: "Solange ich lebe, hat es nicht einmal den Versuch gegeben, mich kaufen zu wollen. Und ich habe noch nie etwas getan, weil jemand etwas gespendet hat. Nie." SPD-Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher erklärt, er habe an der persönlichen Integrität Wolbergs "nicht den leisesten Zweifel". Einen Tag später beantragt Wolbergs ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst - es soll ihn entlasten.

Ende Juni 2016: Wolbergs räumt ein, er habe seinem SPD-Ortsverein ein Privatdarlehen von 220 000 Euro gewährt, ohne dies von seiner Partei genehmigen zu lassen. Die Staatsanwaltschaft lässt Hinweise prüfen, dass mindestens eine Baufirma ihre Mitarbeiter als Strohmänner benutzt haben soll, um Spenden weiterzugeben. Es ist die Firma von Volker Tretzel. Die Ermittler kündigen an, auch Spuren zu verfolgen, die weiter zurückführen als in den Kommunalwahlkampf 2014.

Juli 2016: Bundestagspräsident Norbert Lammert lässt die Bundestagsverwaltung untersuchen, ob es in Regensburg Verstöße gegen das Parteiengesetz gegeben hat.

September 2016: Ein ehemaliger Geschäftsführer der Bauteam Tretzel GmbH übernimmt das Amt des Technischen Leiters bei der Stadtbau, einer hundertprozentigen Tochter der Stadt.

Oktober 2016: Vorermittlungen gegen Alt-OB Hans Schaidinger (CSU). Die Staatsanwaltschaft interessiert sich für dessen Beratervertrag bei der Baufirma Tretzel, den er im Mai 2014, unmittelbar nach Ende seiner Amtszeit, angenommen haben soll. Das Salär: monatlich 20 000 Euro.

November 2016: Recherchen der Süddeutschen Zeitung und des BR ergeben, dass Wolbergs nicht nur im Wahlkampf gestückelte Parteispenden aus der Baubranche angenommen hat, die offenbar die Identität des Spenders verbergen sollten, sondern auch in seiner Amtszeit als Oberbürgermeister. Von Tretzel sollen bis 2015 jährlich 108 900 Euro geflossen sein, bis April noch weitere vier Spenden über je 9900 Euro - stets unter der meldepflichtigen Grenze von 10 000 Euro.

Dezember 2016: Der Regensburger SPD-Fraktionsvorsitzende Norbert Hartl räumt ein, im Juni 2014 eine E-Mail an Tretzel geschickt zu haben, die den Entwurf für die Neuausschreibung der Vergabe des Nibelungenkasernenareals enthielt - verbunden mit der Bitte, zu prüfen, ob die Vergabekriterien aus Sicht des Bauträgers erfüllbar seien. Tretzel hatte die erste Ausschreibung verloren, bekam aber bei der zweiten Ausschreibung den Zuschlag.

23. Dezember 2016: Die SZ berichtet über ein Schreiben, das womöglich auf einen Zusammenhang hindeutet zwischen Zahlungen der Baufirma Tretzel an den SSV Jahn sowie Grundstücksgeschäften zwischen Tretzel und der Stadt. Könnte Tretzel den Zuschlag für das Nibelungenareal bekommen haben, weil er der Stadt eine Finanzspritze - 1,7 Millionen Euro - für den Fußballklub in Aussicht stellte?

18. Januar 2017: Wolbergs, Tretzel sowie dessen Ex-Angestellter, jetzt Technischer Leiter der Stadtbau, werden verhaftet. Die Staatsanwaltschaft wirft dem OB Bestechlichkeit, Tretzel Bestechung und dem Technischen Leiter Beihilfe zur Bestechung vor. Letzterer soll in Tretzels Auftrag das Strohmann-System organisiert haben.

20. Januar 2017: Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun auch gegen Schaidinger.

23. Januar 2017: Norbert Hartl tritt als SPD-Fraktionschef zurück. Auch gegen ihn laufen jetzt Ermittlungen.

Januar/Februar 2017: Die Landesanwaltschaft suspendiert Wolbergs vorläufig vom Dienst und behält die Hälfte seiner Bezüge als Oberbürgermeister ein.

Ende Februar/März 2017: Wolbergs, Tretzel und dessen Ex-Mitarbeiter kommen nach wochenlanger U-Haft auf freien Fuß. Es besteht weiter dringender Tatverdacht und Verdunkelungsgefahr.

27. Juli 2017: Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Wolbergs, Hartl, Tretzel und dessen Ex-Mitarbeiter.

© SZ vom 28.07.2017 / dpa, SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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