Rockerbande vor Gericht:Prozess mit Pleiten und Pannen

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Das Landgericht Memmingen verurteilt einen Neu-Ulmer unter anderem wegen Totschlags, versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

"Er hat wie ein Killer agiert": Ein Rocker muss nach einer tödlichen Schießerei in Neu-Ulm ins Gefängnis. Ein zweiter Angeklagter wird freigesprochen und soll sogar Entschädigung bekommen. Kritik gibt es an den Ermittlungsbehörden - auch von der Richterin.

Von Stefan Mayr, Memmingen

Der Mordprozess gegen drei Mitglieder der Rockerbande "Rock Machine" vor dem Landgericht Memmingen ist am Montag mit zwei Haftstrafen und einem Freispruch zu Ende gegangen. Zudem gab es ungewöhnlich massive Kritik an den Ermittlungsbehörden - sowohl von den Verteidigern als auch von der Vorsitzenden Richterin.

Der Hauptangeklagte Asmon G. wurde wegen Totschlags zu zwölf Jahren Haft verurteilt, der Bandenchef Blerim B. wegen versuchter Strafvereitelung zu einem Jahr Haft. Dessen Bruder Bestrim wurde freigesprochen und soll für seine monatelange Untersuchungshaft sogar Entschädigung bekommen.

"Asmon G. wollte seinem Chef zeigen, wie furchtlos er ist und dass man sich auf ihn verlassen kann, deshalb hat er sein Opfer eiskalt abgeknallt", begründete Richterin Brigitte Grenzstein ihr Urteil. Sie sprach auch ungewöhnlich deutliche Worte in Richtung Polizei und Staatsanwaltschaft: "Es gab leider Pannen."

Ursprünglich lautete die Anklage auf gemeinschaftlichen Mord mit besonderer Schwere der Schuld. Davon blieb im Laufe des achtmonatigen Prozesses nicht mehr viel übrig. Bei zwei Angeklagten hob das Gericht frühzeitig den Haftbefehl auf. Selbst die Staatsanwaltschaft musste in ihrem Plädoyer einräumen, dass die Anklageschrift in weiten Teilen unzutreffend war. Den Mordvorwurf gegen alle drei Männer ließen die Ankläger fallen, stattdessen plädierten sie nur noch bei einem Angeklagten auf Totschlag.

Pannen bei den Ermittlungen

Die sechs Anwälte überboten einander in ihrer Kritik an den Ermittlern. Einer sprach von "Pleiten, Pech und Pannen", seine Kollegin diagnostizierte einseitige "Tunnelermittlungen" und forderte: "Da müssen Köpfe rollen." Man habe Opfer zu Tätern gemacht, "weil der Innenminister seine Ruhe haben will".

Das übliche Geklapper von angriffslustigen Verteidigern in einem Mordprozess? Nicht nur. Aus gut informierten Justizkreisen wird bestätigt, dass bei den Ermittlungen etliches schief lief. Schließlich kommt es nicht oft vor, dass eine Richterin im Urteil von "Pannen" und "Widrigkeiten" spricht.

In dem Prozess ging es um tödliche Schüsse in einem Neu-Ulmer Gewerbegebiet im Dezember 2012. Auf offener Straße wurde ein 31-jähriger Mann niedergeschossen und starb. Die Polizei nahm wenig später drei Männer fest, diese wurden wegen gemeinschaftlichen Mordes angeklagt.

Laut Anklage hätten sich die drei Männer zuvor verabredet, den Bordellbesitzer Murat C. und seine Begleiter aus dem Verkehr zu räumen. Die Medien berichteten von einem Bandenkrieg um die Vormacht im Rotlichtmilieu des Großraums Ulm/Neu-Ulm. Die Angeklagten gehören der Bande "Rock Machine" an, ihre Kontrahenten waren der Bordell- und Disco-Betreiber Murat C. und zwei muskelbepackte Begleiter.

Die sechs Männer trafen sich in der Todesnacht zu einer "Aussprache", zu der beide Seiten Waffen mitbrachten. Nach Darstellung der Verteidiger wurden die drei Angeklagten von Murat C. und seinen "Gorillas" in einen "Hinterhalt" gelockt. Dabei habe die Gegenseite sofort begonnen, loszuprügeln, einer davon mit einem Schlagstock. Derart in die Enge getrieben, habe der Angeklagte Asmon G. "in Todesangst" auf die Angreifer geschossen und sei "in Panik weggerannt". Er traf einen Mann in den Bauch, dieser starb noch in derselben Nacht.

Das zweite Opfer erlitt einen Lungendurchschuss, konnte aber gerettet werden. Bordellbesitzer C. wurde nicht verletzt. Nach Ansicht der Verteidiger wollte er sich bei den Brüdern rächen, weil er glaubte, sie hätten in seinen Etablissements Stinkbomben geworfen. Zudem habe er am Tag zuvor eine Bombendrohung erhalten, auch diese ordnete er den Brüdern zu.

"Die Gegenseite wollte Selbstjustiz üben und hat den Übergriff gestartet", betonte ein Verteidiger. Er kritisierte: "Dennoch wurde gegen die Aggressoren nie ermittelt." Stattdessen habe die Polizei ausschließlich die Brüder Blerim, 28, und Bestrim B., 22, sowie Asmon G., 23, ins Visier genommen. Letzterer hat während des Prozesses die Schüsse gestanden, seine Anwälte stellten sie als Notwehr dar und forderten Freispruch.

Dieser Argumentation folgte das Gericht nicht: "Er hat wie ein Killer agiert." Die Verteidigung kündigte an, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen.

Bandenchef Blerim B. verließ das Gericht als freier Mann. Weil er dem Todesschützen sein Auto als Fluchtwagen zur Verfügung stellte, wurde er wegen versuchter Strafvereitelung zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. Diese hat er in der Untersuchungshaft bereits abgesessen.

© SZ vom 06.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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