Rettungsdrama in der Riesendinghöhle:Im Schneckentempo ans Tageslicht

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Ab jetzt geht es nur noch steil nach oben: Das Rettungsteam, das den Höhlenforscher Johann W. aus der Riesending-Schachthöhle birgt, hat einen Teil des Weges bereits zurückgelegt. Aber der schwierigste Abschnitt steht noch bevor.

Von Sarah Kanning, Berchtesgarden

Seit einer Woche kämpfen internationale Höhlenkletterer darum, den schwer verletzten Johann W. aus der Riesending-Schachthöhle im Untersberg bei Berchtesgaden zu retten. Inzwischen hat das Rettungsteam einen großen Teil der zweiten Etappe zurückgelegt. In wenigen Stunden soll die Gruppe das Rastlager "Biwak 4" erreichen, bevor der anstrengende Transport von Johann W. in die Höhe beginnt, sagte Roland Ampenberger, Sprecher der Bayerischen Bergwacht, am Sonntagfrüh in Berchtesgaden. Drei Biwaks liegen dann noch vor ihnen, Entwarnung könne es erst ab Biwak 1 geben.

Bislang arbeiteten sich die Helfer in Viererteams zusammen mit drei Ärzten und Johann W. auf einer Trage durch die sogenannte "Lange Gerade" vor, einem horizontalen Gangsystem vom Unglücksort in Richtung Aufstiegsschacht. Tagelang hatten Helfer die Strecke für den Transport präpariert, Trittstufen eingebracht und Seile erneuert. Auch wenn die Strecke auf einem schematischen Plan relativ gerade aussieht, ist die Bergung eine Herausforderung. Für den Weg brauchten die Helfer einen Tag. "Jede Passage hat ihre eigene Schwierigkeit", sagt Ampenberger. "Jetzt wird der Weg verschlungener, mit mehr Engstellen." Fast 900 Meter geht es von jetzt an nur noch nach oben.

Die Ärzte haben zudem noch ein weiteres Analysegerät zur Überwachung der Vitalfunktionen und des Blutes von Johann W. angefordert. Denn der 52 Jahre alte Höhlenforscher hat bei einem Steinschlag ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten und müsste eigentlich seit einer Woche auf der Intensivstation liegen. Doch es gehe ihm weiterhin gut, heißt es von der Bergwacht, er habe Appetit und sei ansprechbar.

Die Erschöpfung zeigt bei den Helfern langsam erste Spuren: Die Teams müssen ständig ausgewechselt werden, die Arbeiten in Dunkelheit in bis zu 1000 Metern Tiefe sind körperlich und psychisch extrem belastend. Im Eingangsschacht müssen ständig Seile ausgewechselt werden, weil sie durch den Gebrauch von insgesamt 44 Personen, die sich in der Höhle befinden, schnell verschleißen. "Es war eine lange Reise hinunter - und es ist eine lange Reise zurück", beschreibt Ampenberger die Arbeit der Rettungsteams in den vergangenen Tagen. "Sieben Tage zehren an den Kräften, aber wir tun alles, damit die Konzentration erhalten bleibt."

Die Höhle, die vor 12 Jahren entdeckt worden ist und erst seit 2002 erforscht wird, hatten vor dem Unfall von Johann W. nur eine Hand von Leuten betreten. Inzwischen ist oben am Plateau eine regelrechte kleine Stadt aufgebaut, mit Container, Zelten, Notversorgungsstation und einem Notarzt für die völlig ausgelaugten Höhlenretter.

Die Riesending-Schachthöhle ist die tiefste Höhle Deutschlands. Der Verletzte liegt in etwa 1000 Metern Tiefe. (Foto: N/A)

Der Schwierigkeitsgrad der Höhle wurde schon mit Bergen des Himalayas verglichen. "Unsere Rettung ist ähnlich aufwendig wie eine Bergbesteigung", sagt Ampenberger. "Da braucht man viele Lager, viele Helfer, viel Personal." Zudem ist die Höhle nicht irgendeine. Sie ist die tiefste und längste Deutschlands. "Für uns ist diese Höhle so besonders, dass man es nicht von den gängigen Rettungsmanövern kennt", sagt Ampenberger. Nur logisch, dass sich die deutschen Retter Unterstützung aus Italien und Österreich geholt haben, wo es mehrere solcher Höhlen gibt und mehr Helfer bereits in solche Tiefen vorgestoßen sind.

Nach einer längeren Pause am Biwak 4 soll Johann W. in eine andere Trage umgebettet werden. Weil Vakuumtragen zu voluminös wären, wird er in eine eingeschäumte Trage gebettet, deren Schaum aushärtet und dann ideale Stabilisierung bietet. Denn gerade der Hals des Verletzten soll auf keinen Fall bewegt werden. An Seilen und Flaschenzügen muss W. dann nach oben gezogen werden, Zentimeter für Zentimeter, in völliger Dunkelheit.

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