Rettungsaktion für wildes Rind:Kuh mit Promi-Status

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Offenbar hatte sie das Leben im Stall satt: Seit Ende Mai versteckt sich eine Kuh in den Wäldern bei Mühldorf. Nun wollen Tierschützer Yvonne zum Asyl auf Gut Aiderbichl verhelfen - falls es gelingt, sie lebend zu finden. Das Landratsamtes Mühldorf sie zum Abschuss freigegeben. Aus Sicherheitsgründen.

Ulrike Heidenreich

Es muss irgendwann am ersten oder zweiten Tag im Dickicht des Waldes gewesen sein: Da erwachten in der entfleuchten Kuh ihre Urinstinkte. Evolutionäres Erinnerungsvermögen nennt man es, wenn Lebewesen, die sonst dumpf in dunklen Ställen herumstehen müssen, irgendwo tief in sich ihre Gefühle als Flucht- und Herdentier wiederentdecken. So erklärt es jedenfalls der europaweit tätige Tierschützer Michael Aufhauser, der sich nun um jene Kuh kümmert, die sich seit Ende Mai in den Wäldern rund um Zangberg im Kreis Mühldorf versteckt.

Auf der Flucht: Verwackelte Bilder zeigen die scheue Kuh, die erst in der Dämmerung den schützenden Wald verlässt. (Foto: dpa)

Diese Kuh geistert seit vielen Wochen als Phantom durch alle Medien, unscharfe, verwackelte Bilder zeigen das scheue Tier, wie es vorsichtig erst in der Dämmerung aus dem schützenden Dickicht des Waldes zum Grasen auf die Wiese tritt. Tagsüber versteckt sie sich mit aller Raffinesse, sämtliche Versuche, das Tier einzufangen, schlugen bislang fehl. "Wir Menschen unterschätzen die Sinne der Tiere. Diese Kuh ist schlauer als ein Reh. So einen Fall habe ich noch nie erlebt", sagt Michael Aufhauser, der die Kuh gerade einem Bauern aus Aschau abgekauft hat, aus dessen Weide sie am 24. Mai geflüchtet war.

Die Kuh, inzwischen mit dem Namen Yvonne versehen, soll Asyl erhalten auf seinem Gut Aiderbichl nahe Salzburg oder einer Dependance in Deggendorf - wenn es denn gelingt, ihrer lebend habhaft zu werden.

Weil Yvonne (benannt nach einer kranken Gönnerin von Gut Aiderbichl) vergangene Woche nämlich nicht ganz so umsichtig wie sonst agierte, war sie beinahe mit einem Polizeiauto kollidiert. Prompt erfolgte die Abschussanordnung des Landratsamtes Mühldorf, welches die scheue Kuh bisher als oberbayerisches Phänomen geduldet hatte.

Seitdem hat Michael Aufhauser zwei bis drei Jäger postiert und diverse Tierretter - "meine besten Leute" -, die die Kuh unversehrt einfangen sollen. Gequetschter Hafer wurde als Lockmittel rund um das Geheimrevier der Kuh ausgelegt. Die Jäger haben sowohl scharfe Munition dabei als auch jenes Betäubungsmittel, das Hellabrunner Mischung genannt wird, weil es im Münchner Zoo von Henning Wiesner entwickelt wurde und Tiere auf wohl recht sanfte Weise sedieren soll.

Ein Aschauer Bauer hatte das junge Tier in Österreich gekauft, der Transport und die Verladung wurden Kuh Yvonne dann aber zu viel. Kaum war sie auf die Weide gebracht, brach sie durch den 4000- bis 8000-Volt-Zaun und ward nicht mehr gesehen. "Das Tier ist in Panik geraten, nervlich war die Verladung zu anstrengend", sagt Tierschützer Aufhauser.

"Ein Rind hat keine Gesichtsmuskeln - darum gilt es als gleichgültig"

Er, der sich auf Gut Aiderbichl gerne von Prominenz wie der Begum bis zu Eliette von Karajan unterstützen lässt, nutzt nun ganz bewusst den Promi-Status von Waldkuh Yvonne.

"Abgesehen davon, dass uns natürlich immer das Einzelschicksal von Tieren rührt, ist dies nun die Möglichkeit, dass wir Menschen über Kühe sprechen", sagt er. Allgemein gelten Kühe als plump und dumm, meint er. Doch das Gegenteil sei der Fall: "Ein Rind hat so gut wie keine Gesichtsmuskeln, kann anders als Hunde nicht die Stirn runzeln. Darum gilt es als gleichgültig." Tatsächlich seien Kühe aber intelligent und sensibel.

Als bestes Beispiel dient hier natürlich die Kuh von Zangdorf. Die Jäger liegen auf der Lauer - im Laufe des Dienstags sollten Absperrungen errichtet werden, um den Aktionsradius des Tiers einzuschränken.

© SZ vom 03.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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