Politikum:Söder wechselt in den Osten

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Der Finanzminister hat bei Landtagswahlen immer vergleichsweise schlecht abgeschnitten. Deshalb hat er beschlossen, sich ein neues politisches Gebiet auszusuchen. Er ist dann mal drüben

Von Olaf Przybilla

Es gab Zeiten in der Geschichte der Nürnberger CSU, da hätte man Menschen mit weißen Kitteln angefordert, hätte jemand behauptet, dass Markus Söder irgendwann mal für den CSU-Kreisverband Nürnberg-Ost in die Landtagswahl zieht. Nürnberg-Ost, das waren diejenigen, die Söder regelmäßig auflaufen ließen, die mit diesem Mann nichts anfangen konnten, ihn für einen nassforschen Luftikus oder notorischen Stoiberianer hielten. Einen, den man aufhalten muss. Einmal kegelten sie mit vereinten Kräften einen Söder-Adlatus von der Stadtratsliste. Es waren harte Zeiten für Söder, den (damaligen) Beißer und Beller aus Nürnberg-West.

Söders bisheriger Stimmkreis darf getrost als einer der schwierigsten für die CSU gelten. Arbeiter, Migranten und Alternative leben im Nürnberger Westen, es gibt Viertel, da ist die CSU kurz davor, unter Artenschutz gestellt zu werden. Söder hat dort kuriose Wahlkämpfe bestritten, mit, wie sie das in der CSU nennen, Armenspeisung: Söder an der Gulaschkanone. Es dürfte keinen Meter Straße geben, den er nicht abgestrampelt hat mit seinem ulkigen Wahlkampfradl. Im feinen Osten von Nürnberg lachten sich die Parteikollegen schlapp darüber.

Am heftigsten fiel Söders Stimmung aber immer dann, wenn nach einer Wahl die persönlichen Ergebnisse aller Landtagsabgeordneten verglichen wurden. Hier die Kandidaten aus den oberbayerischen Postkarten-Kreisen. Dort er, Söder. 43 Prozent der Erststimmen hat er letztes Mal bekommen, für einen Minister in Bayern klingt das mau. Wenn man nicht weiß, wo Söder da antritt.

Man darf jetzt schon festhalten, dass das bei der nächsten Wahl - nicht der unwichtigsten für Söder - anders wird. Denn Söder tritt dann in Nürnberg-Ost an, dort wo das gesetzte Bürgertum lebt, dort wo sie ihn früher verspotteten. Söder hat dafür alle Hebel politischer Handwerkskunst in Bewegung gesetzt: Dagmar Wöhrl wurde, nun ja, überzeugt, dass nun mal Schluss ist als Berliner Abgeordnete. Der CSU-Kreis-Chef im Osten darf (und muss) stattdessen nach Berlin. Der bisherige Landtagsabgeordnete hört auf. Also kann Söder rüber in den Osten, Triumph fast garantiert. Er wohne dort ja schon länger, erklärt er. Und kann ein Grinsen nicht unterdrücken.

© SZ vom 07.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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