Politikum:Ministerpräsident gesucht

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Was macht Horst Seehofer, wenn er spurlos verschwunden ist? Böse Zungen behaupten, er esse dann den ganzen Tag Tütensuppen. Aber SZ-Recherchen haben ergeben: Das stimmt gar nicht

Von Wolfgang Wittl

Das Wichtigste zuerst: Horst Seehofer geht es gut. Nach Augenzeugenberichten leitete er am Montag erst die Sitzung des hochgeheimen CSU-Strategieteams, dann wurde er tatsächlich beim Empfang seiner Exzellenz Faure Essozimna Gnassingbé gesichtet, dem Präsidenten von Togo. Selbstverständlich war das am Freitag nicht.

Eigentlich war Seehofer am Freitag als Festredner für das Richtfest beim Museum der Bayerischen Geschichte eingeplant, ein Haus, das er quasi selbst erfunden hat. Ein Bilderbuchtermin bei Bilderbuchwetter, so etwas lässt sich kein Politiker entgehen. Einer aber doch: Seehofer. Und weil er tags zuvor geheimnisvoll geraunt hatte, ein großer Knüller werde alle überraschen, setzte sich die Gerüchtemaschinerie unaufhaltsam in Gang.

Wo ist Seehofer? Man kennt diese Frage noch so ähnlich von den Olympischen Winterspielen 1980 in Lake Placid, als der Reporter Bruno Moravetz unablässig wissen wollte, wo ein gewisser Jochen Behle stecke. Damals ahnte man immerhin, dass sich dieser Behle wohl irgendwo auf einer Langlaufloipe in Nordamerika herumtreibt. Aber Seehofer?

Über den CSU-Chef kursieren aus seiner Berliner Zeit Geschichten, dass er gerne ein paar Tage abtaucht und sich nur von Tütensuppe ernährt, wenn ihm alles auf den Geist geht. Der Ministerpräsident, wie er vor einem Bunsenbrenner sitzt und an Merkel und Gabriel denkt: Ein schönes Bild, aber nicht sehr wahrscheinlich, wie engste Mitarbeiter versichern. Doch nicht einmal sie haben eine Ahnung, wo ihr Chef geblieben ist. Geheimverhandlungen zur Erbschaftsteuer? Friedensgipfel mit der Kanzlerin?

Nachgefragt beim Chef der SZ-Parlamentsredaktion, der muss es ja wissen als Nachfolger seines ehemaligen Büroleiters, der heute sein Chefredakteur ist. Ergebnis: viel Recherche, allerdings weit und breit kein Seehofer. Nur dass die Aufregung jetzt auch Berlin erreicht hat.

Die Auflösung: Herrliche Stunden mit Naturerlebnis habe er verbracht, erklärt Seehofer. Völlig unbeobachtet am Riedberger Horn, um sich einen eigenen Eindruck von der Debatte darüber zu verschaffen. Fazit: Mitunter versetzt Horst Seehofer mit einem einzigen Satz das ganze Land in Aufregung. Er übertrifft sich nur noch durch seine Abwesenheit.

© SZ vom 14.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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