Personaldebatte in der CSU:Das Puzzle des Mächtigen

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Der designierte CSU-Parteichef und Ministerpräsident Seehofer steht vor wichtigen Personalentscheidungen. Dabei versucht er, alle Fragen möglichst in einem Wurf zu lösen - das könnte auch die Rückkehr Verfemter einschließen.

Peter Fahrenholz

Manchmal verraten Kleinigkeiten, ob einer noch fremdelt. Die Umgangsformen zum Beispiel. Horst Seehofer, der in wenigen Tagen CSU-Chef und Ministerpräsident sein wird, ist aus Berlin einen distinguierten Ton gewöhnt. In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion geht es nicht kumpelig zu, wer sich nicht schon lange kennt, siezt sich.

Horst Seehofer nähert sich mit atemberaubender Geschwindigkeit der bayerischen Landespolitik an. (Foto: Foto: ddp)

In der CSU-Landtagsfraktion hingegen, wo sich die meisten schon seit Ewigkeiten kennen, ist das vertraute "Du" üblich. Als Seehofer seine neuen Münchner Kollegen in den ersten Tagen immer wieder mit "Meine sehr verehrten Damen und Herren" anredete, hat man ihm signalisiert, er solle doch weniger förmlich sein. Aber die Floskel rutscht ihm gelegentlich immer noch heraus. "Das ist schon eine Umstellung", räumt Seehofer ein.

Sonst aber geschieht die Annäherung von Horst Seehofer an die bayerische Landespolitik und ihre Gepflogenheiten mit atemberaubender Geschwindigkeit. Seehofer und die Abgeordneten im Landtag, das war lange Zeit ein Verhältnis, das von großer Fremdheit bis zu offener Antipathie reichte.

Schon immer hat es zwischen der Bundes- und der Landes-CSU Spannungen gegeben. Bei Seehofer hatte dieser Gegensatz immer noch eine spezielle Schärfe. Nirgendwo sonst wurde Seehofer mit so großem Argwohn betrachtet wie in der Landtagsfraktion. Selbst als er sich bei den Themen Gammelfleisch und Vogelgrippe mit seinem damaligen bayerischen Amtskollegen Werner Schnappauf anlegte, der in der eigenen Fraktion alles andere als beliebt war, hielten die Landtagsabgeordneten zu Schnappauf. Sozusagen aus traditioneller Abneigung gegen Seehofer.

Davon ist so gut wie nichts mehr zu spüren. Seehofer hat in den letzten Wochen vermutlich mehr Zeit in der Landtagsfraktion verbracht als sein ganzes politisches Leben zuvor. Da habe sich emotional etwas bewegt, sagt er selbst. Seehofer, heißt es aus der Fraktion, mache seine Sache bisher "extrem geschickt". Er höre zu, beziehe selber klar Stellung und im Gegensatz zu Edmund Stoiber verstehe bei ihm jeder, was er sagen wolle. "Wenn er so weitermacht, frisst ihm die Fraktion in 14 Tagen aus der Hand", sagt ein langgedienter Abgeordneter.

Eine zentrale Rolle in Seehofers Plänen spielt Markus Söder. Lesen Sie weiter auf der nächsten Seite.

Kühl und mit beträchtlicher Brutalität hat Seehofer in Sachen Landesbank eine Brandmauer zu seinen Vorgängern Beckstein und Huber errichtet, er spricht von der "alten Regierung". In der Fraktion fallen schon mal Sätze wie "damit das klar ist, Günther und Erwin", wenn Seehofer bestimmte Altlasten von sich wegschieben will. Machtspielchen mit überraschenden taktischen Schwenks beherrscht keiner so virtuos wie Seehofer.

Horst Seehofer bildet eine neue Truppe um sich - ohne Altlasten und ohne Erwin Huber. (Foto: Foto: Reuters)

Stimmungsumschwünge nimmt er sofort wahr. So wie bei Fraktionschef Georg Schmid. Der sollte erst zusammen mit Beckstein und Huber abserviert werden, doch in der Nacht vor der entscheidenden Fraktionssitzung drehte sich der Wind. Seehofer hörte in zahlreichen Telefonaten heraus, dass in der Partei der Wunsch nach einem Ende des Blutrausches die Oberhand gewann. Also schlug er Schmid am nächsten Morgen selber zur Wiederwahl als Fraktionschef vor. Nicht ohne ihm vorher das Versprechen abzunehmen, dass sich Schmid brav beugen wird, falls Seehofer ihn in ein paar Tagen doch für sein Kabinett benötigt.

In wenigen Tagen wird Seehofer eine Machtfülle zuwachsen, wie sie auch Edmund Stoiber in seinen besten Tagen nur selten hatte. Er muss die Partei und die Regierung personell neu aufstellen, und er hat dabei freie Hand wie selten einer vor ihm. Keiner wird ihm jetzt in den Arm fallen können, jetzt, wo die Partei am Boden liegt und darauf hofft, dass Seehofer sie wieder aufrichtet. Er kann einen radikalen Schnitt machen, auf allen Ebenen. "Wenn er's jetzt nicht tut, kann er's nie mehr tun", sagt ein führendes Fraktionsmitglied.

Der große Schlag

Und Seehofer ist offenbar entschlossen, mit einem Wurf ein Gesamtpaket zusammenzubinden, das Parteifunktionen sowie Regierungsämter in München und Berlin umfasst. Es ist ein kompliziertes Puzzle, an dem Seehofer derzeit bastelt, und welche Teile er am Schluss zusammenfügt, ist noch längst nicht klar, auch ihm selber nicht. "Stoffsammlung" nennt Seehofer selbst die Liste von Namen, über denen er brütet. Nicht alle davon werden zum Zuge kommen. Der CSU, so Seehofers Analyse, fehlen zehn Jahre, die Generation der um die 50-Jährigen, die Stoiber nicht hat hochkommen lassen. Also müssen jetzt Jüngere sofort nach oben, erst eine Funktion gibt Talenten den nötigen Schub, davon ist Seehofer überzeugt.

Eine zentrale Rolle in seinen Plänen spielt wohl der derzeitige Europaminister Markus Söder, er kann so gut wie sicher mit seinem weiteren Aufstieg rechnen. Auch die beiden Bezirkschefs Markus Ferber (Schwaben) und Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (Oberfranken)sowie eine ganze Reihe jüngerer Abgeordneter gehören zu Seehofers Puzzle. Als Generalsekretärin deutet vieles auf die Bundestagsabgeordnete Ilse Aigner hin, Seehofer will jemanden mit Berliner Hintergrund berufen. Auch die Rückkehr Verfemter ist denkbar, in Seehofers Plänen spielen auch die Namen Alfred Sauter und Monika Hohlmeier eine Rolle. Von den Altgedienten können längst nicht alle sicher sein, ihre Ämter zu behalten. Kultusminister Siegfried Schneider zum Beispiel soll in den Koalitionsverhandlungen keinen überzeugenden Eindruck gemacht haben.

Und es ist nicht ausgeschlossen, dass Seehofer auch in Berlin eine umfassende Lösung anstrebt und nicht nur seine eigene Nachfolge als Bundesminister regelt, sondern auch den glücklosen Wirtschaftsminister Michael Glos ersetzt. Was davon kommen wird, ist nicht nur deshalb ungewiss, weil Seehofers Personaltableau so viele Namen umfasst. Sondern auch weil Seehofer, so brutal er in Machtfragen auch ist, bei Personalentscheidungen von vielen Skrupeln geplagt ist. Ob er sich am Ende auch trauen wird, den ganz großen Schlag zu führen, weiß im Moment vermutlich noch nicht einmal Horst Seehofer selber.

© SZ vom 25.10.2008/akh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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