Münchens Olympia-Bewerbung:59 Bauern gegen den Rest der Welt

Renitente Hinterwäldler oder aufrechte Konservative? Die Bauern, die Olympia in Bayern verhindern wollen, haben einen kritischen Punkt überschritten. Ihre Sorgen muss man ernst nehmen - die Wünsche der Mehrheit aber auch.

A. Ramelsberger

Die Frage ist, wie man zu der Bewerbung um Olympische Winterspiele in Deutschland steht. Hält man sie für eine Chance für das Land, für ein wunderbares Sportfest wie die Fußball-Weltmeisterschaft 2006, für unbezahlbare Werbung für den Tourismus - dann müssen einem die paar Garmischer Bauern, die partout ihren Boden nicht für die Spiele hergeben wollen, wie renitente Hinterwäldler vorkommen. Beschränkte Bergbewohner, die nicht begreifen wollen, dass sie dem Gemeinwohl im Wege stehen.

Aufsichtsrat: Olympia-Bewerbung nicht gefährdet

Mit Drohungen wollen 59 Garmischer Bauern nun die Olympischen Spiele verhindern.

(Foto: dpa)

Hält man Olympische Spiele allerdings für Naturzerstörung, für ein längst des sportlichen Sinns entleertes Ereignis, für eine Gelddruckmaschine korrupter alter Männer - dann müssen einem die Bauern wie die letzten Aufrechten im Land vorkommen, Konservative im besten Sinne; vielleicht sogar die bayerische Variante von Stuttgart 21.

Es gibt genügend Interessierte, die den Protest von Garmisch zu einem solchen Garmisch 21 stilisieren wollen. Sie sehen die knorrigen Bauern in einer Linie mit den Demonstranten von Stuttgart, die sich an Bäume ketten und gegen Wasserwerfer stellen. Doch so ist es nicht.

Die Bauern von Garmisch sind keine verschworene Gemeinschaft, sie sind ein heterogener Haufen, der von unterschiedlichsten Beweggründen getrieben wird. Viele dieser Gründe sind nicht hochpolitisch, sondern höchstpersönlich: Die einen fühlen sich von ihrem hochmütigen Bürgermeister überfahren, der sie lange spüren ließ, dass er nichts von ihnen hält. Die anderen sehen nicht ein, dass für die Spiele auf ihren Grundstücken gebaut werden darf, sie selbst aber ihr Land nicht zu teurem Bauland machen dürfen. Wiederum andere wollen für sich rausholen, was geht - bis dahin, dass sie sich jahrelang von Gebühren befreien lassen wollen. Und wieder andere treiben noch die Erzählungen der Großeltern um, die einst von den Nazis für die Olympischen Spiele 1936 enteignet worden waren. Eine unübersichtliche Gemengelage.

Die Sorgen der Bauern muss man ernst nehmen, die Wünsche der Mehrheit aber auch. Und diese Wünsche verschwinden hinter dem lauten Protest der wenigen. Immerhin sprechen sich 64 Prozent der Garmisch-Partenkirchner für die Bewerbung aus - die Spiele haben dort genauso viel Unterstützung wie im ganzen Land. In München sind sogar fast 70 Prozent der Bürger dafür. Dagegen richten sich gerade mal 59 Grundeigentümer, die damit drohen, die Bewerbung platzen zu lassen. Sie versteigen sich sogar dazu, der Landesregierung ein Ultimatum für den Rückzug der Bewerbung zu stellen.

Damit haben sie einen kritischen Punkt überschritten. Sie haben sich nicht nur im Ton vergriffen. Mit ihrer Drohung, sich selbst an das IOC zu wenden, fordern sie die Regierung geradezu heraus: Die kann nun nicht mehr auf Einfühlungsvermögen und Entgegenkommen setzen, sie muss jetzt zeigen, dass sie das Gemeinwohl über das Eigenwohl der Grundbesitzer stellt. Das kann für alle sehr schmerzlich werden.

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