Mordfall "Ursula Herrmann":Ein Tonband legte die Spur

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27 Jahre nach der Entführung der zehnjährigen Ursula Herrmann in Eching haben Polizeibeamte einen 58-jährigen Tatverdächtigen festgenommen - dank eines Tonbandes.

Ein Tonband hat die Polizei auf die Spur des Entführers der zehnjährigen Ursula Herrmann aus Oberbayern geführt. In der Wohnung des im schleswig-holsteinischen Kappeln festgenommenen mutmaßlichen Täters wurde ein Abspielgerät beschlagnahmt. Darauf befindet sich eine Melodie, die der Entführer immer dann laufen ließ, wenn er bei den Eltern des Mädchens anrief. Dies teilte der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz am Freitag in Augsburg mit. Der Haftbefehl lautet auf erpresserischen Menschenraub mit Todesfolge. Bei dem Mordfall aus dem Jahr 1981 handelt es sich um einen der spektakulärsten in der oberbayerischen Kriminalgeschichte.

Ein undatiertes Bild zeigt die zehnjährige Ursula Herrmann, die 1981 in Eching am Ammersee entführt worden war. Nun steht der Fall kurz vor der Aufklärung. (Foto: Foto: dpa)

"Wir gehen davon aus, dass er der maßgebliche Täter, der Erpresser ist", sagte der Oberstaatsanwalt und verwies auf Fluchtgefahr des Mannes. DNA-Spuren würden noch überprüft, so Nemetz weiter. Der 58-Jährige bestreitet die Tat, habe sich aber in Widersprüche verwickelt.

Der Tatverdächtige stand wegen Geldschulden schon länger auf der Fahndungsliste der Polizei. Er lebte früher im Nachbarort der Familie, in Utting, und zog anschließend aus Bayern weg.

Erst im Oktober vergangenen Jahres stellten die Beamten das Tonband sicher. Ein Phonetikgutachten habe technische Auffälligkeiten aufgewiesen, wie sie auch bei den mitgeschnittenen Erpresseranrufen zu finden seien, sagte Nemetz. "Das i-Tüpfelchen ist für die Staatsanwaltschaft dieses Gutachten."

Trotz komplexer Beweislage sei ein DNA-Abgleich mit Spuren vom Tatort negativ geblieben. Die Ermittler seien sich aber sehr sicher, den Täter gefunden zu haben. Der Mann sitze in Augsburg in Untersuchungshaft. Drei weitere Personen aus dem Umfeld des Mannes seien Beschuldigte. "Wir gehen von Mittäterschaft aus", sagte Nemetz. Dem 58-jährigen Tatverdächtigen droht eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Das zehnjährige Mädchen war am 15. September 1981 auf dem Heimweg von Verwandten zwischen Schondorf und Eching am Ammersee entführt worden. Der Täter wartete auf dem Uferweg auf das Mädchen, riss es vom Fahrrad und schleppte es zu einer 1,60 Meter tief in einem Waldstück vergrabenen Holzkiste.

19 Tage später fand die Polizei darin die Leiche des Kindes. Die Kleine war qualvoll erstickt, da das entsprechende Belüftungssystem nicht funktionierte. Auch wenn er Ursula Herrmann nicht bewusst töten wollte, verursachte der Beschuldigte nach Angaben der Staatsanwaltschaft "diesen Tod zumindest leichtfertig".

Einen Tag nach der Entführung von Ursula Herrmann forderten Unbekannte die Eltern in einem Brief auf, Lösegeld in Höhe von zwei Millionen Mark zu zahlen. Ein zweiter Brief erläuterte die Übergabemodalitäten, danach brach der Kontakt ab.

Immer wieder wurden Tatortspuren mit der jeweils neuesten Kriminaltechnik untersucht. 24 Jahre nach der Entführung gelang es den Ermittlern, DNA-Spuren an einer Holzschraube aus der Kiste zu sichern.

Der Fall Ursula Herrmann steht durch einen sogenannten "Spur-Spur-Treffer" in Verbindung mit einem weiteren bayerischen Mordfall: dem Mord an der Münchner Parkhaus-Millionärin Charlotte Böhringer.

Im Mai 2007 hatte sich bei einem routinemäßigen Spurenabgleich herausgestellt, dass genetisches Material in der Wohnung des verdächtigen Neffens von Böhringer mit einer Spur im Fall Herrmann übereinstimmt.

Die Spur an einer Schraube der Holzkiste war im Februar 2007 ausgewertet worden. Eine Identität mit den Vergleichsspuren des Parkhaus-Mordes gibt es nicht. Weiteres DNA-Material an einem Glas und einem Kommodengriff in der Wohnung der getöteten Millionärin wurden zeitnah zum Verbrechen vor 27 Jahren untersucht.

© AP/sueddeutsche.de/dpa/cag/mkf/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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:Mordfall Ursula Herrmann

1981 wurde die zehnjährige Ursula Herrmann auf dem Heimweg vom Turnunterricht in Eching am Ammersee entführt. 19 Tage später fand die Polizei ihre Leiche in einer im Waldboden eingelassenen Holzkiste.

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