Mitten in Bayern:Nur noch 133 Tage

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Am Gardasee und auf Malle schlecken sie Eis und wackeln in den Flipflops mit den Zehen. Und die Daheimgebliebenen? Werden von allen Seiten mit Weihnachtsbotschaften bombardiert

Von Nadeschda Scharfenberg

Franz Beckenbauer und James Bond haben einiges gemeinsam. Da wäre zum ersten das Frauen-Thema, beide Herren sind ja nicht immer ganz treu gewesen. Zum zweiten haben sie das Talent, die große Wahrheit in kleine Sätze zu packen, zum Beispiel: "Die Schweden sind keine Holländer" (Beckenbauer) oder "Lieber etwas misstrauisch als etwas tot" (Bond). Drittens eint sie eine gewisse Weihnachtsverwirrung. Während Bond über die Weihnachtshäufigkeit rätselt ("I thought christmas comes only once a year"), wundert sich Beckenbauer über den Weihnachtszeitpunkt ("Ja ist denn heut' scho Weihnachten?"). Da haben B. und B. allerdings leider recht.

Mitten in der Gluthitze mehren sich die Anzeichen, dass das Christkind vor der Tür steht. Während die Sommerurlauber am Gardasee und auf Malle Eis schlecken und mit den Zehen in den Flipflops wackeln, fühlt sich der Daheimgebliebene verfolgt von Christmas-is-coming-soon-Meldungen: Dem Ortsnachrichtenblatt ist zu entnehmen, dass die Bewerbungsfrist für die Christkindlmarkt-Buden begonnen hat. Im Pfarrbrief sind die Termine für die Weihnachtsgottesdienste abgedruckt, nebst dem Aufruf, die Kinderlein mögen fleißig zu den Krippenspielproben kommen. Passend dazu erreichte uns die Nachricht, dass in Nürnberg die Lebkuchenproduktion angelaufen ist, wobei, kleiner Namenswitz am Rande, die Saisonkräfte ihre Bewerbungen an einen Mann richten sollen, der ausgerechnet so heißt wie Nürnbergs ungeliebte Nachbarstadt: Herr Fürther. Die Lebkuchenhersteller sind sogar spät dran, die Schoko-Nikoläuse laufen seit Mai vom Band. Wobei es sich, so betont die Süßwarenindustrie, nicht um eingeschmolzene Osterhasen handelt.

Auch musikalisch hat der Winter begonnen, bei der Ansbacher Bachwoche stand jüngst das Weihnachtsoratorium auf dem Programm. Und wer lange genug sucht, der wird in Bayern bestimmt eine Kirche mit Christbäumen neben dem Altar finden, weil irgendein Knabenchor-Weihnachtskonzert fürs Fernsehen aufgezeichnet wird.

In 133 Tagen, an Heiligabend, werden längst Osterhasen produziert. Alles verschwimmt, Mariä Himmelfahrt, Christi Geburt, Christi Auferstehung, ganz lebendig ist besser als etwas tot. Sind Nikoläuse wirklich keine Osterhasen? Am Ende lässt sich aus all dem nur ein Schluss ziehen: Die Schweden sind doch Holländer.

© SZ vom 13.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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