Mitten in Würzburg:Grummelnd glücklich

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Auf einmal geht die Mär durchs Land, dass der Franke als solcher ziemlich happy ist. Obwohl die Mieten steigen. Da kann man nur sagen: Hä?

Von Olaf Przybilla

Es gibt Statistiken, die muss man nicht unbedingt glauben. Kürzlich erst wollten wieder mal irgendwelche Glücksatlasmacher erfahren haben, dass der Franke im Vergleich mit dem Südbayern aber so was von selig ist. Seither rätseln die Franken, warum sie angeblich glücklich sind. Tiefsinnige Traktate erscheinen, Analysen werden angestellt, fränkische Passanten systematisch in die Mangel genommen. Eine vorsichtige Zwischenbilanz kann man inzwischen ziehen. Sie lautet: Hä?

Klaus Schamberger, führender Philosoph aus Zentralfranken, forderte die Deutsche Post - die sich als Auftraggeber der Glücksschnüffelei zu erkennen gegeben hat - sogar ultimativ auf, derlei Irrsinn umgehend einzustellen. "Wir gehen zum Lachen in den Keller, weil dort das Bier gelagert ist, und zum Weinen ins Nürnberger Stadion." Diesen Gemütszustand werde man sich von niemandem kaputt machen lassen, schon gar nicht von der Deutschen Post. "Steckt euch", räsoniert Schamberger, "euer Glück in den . . . Briefkasten und lötet ihn dann beidseitig zu!" Rein mentalitätsmäßig brauche man kein Glück. Und schon gar keines, das die Post ermittelt hat.

So ist er, der Franke. Aber weil ein Unglück selten allein kommt, gibt es schon den nächsten Niederschlag. Irgendwelche Immobilien-Heinis wollen nun ermittelt haben, dass die Mieten steigen. Aha. Am stärksten soll das aber nicht in München oder Berlin oder irgendeiner anderen Metropole passieren. Sondern in Würzburg, Unterfranken. Um 34 Prozent in den vergangenen fünf Jahren.

Heißt das womöglich, dass Menschen das Leben dort entschieden erstrebenswert finden? Dass sie sich bemühen, dort wohnen zu dürfen, eine Nachfrage existiert, die schwer zu stillen ist, und die der gemeine Wohnungsinhaber für seine Zwecke auszunutzen weiß? Franken wäre also: glücklich und begehrt?

Dann würde es jetzt ernst in Nordbayern. Eine eilige Recherchereise nach Würzburg ergibt: Der Bahnhof ist nicht mehr, wie eine Zeitung einst trefflich analysierte, der ekligste Deutschlands. Die Straßen sind abends erschreckend lauschig. Der Wein schmeckt nach mehr. Und in den Kneipen steht viel junges und lustiges Volk. Irgendwas läuft gerade ziemlich schief in diesem Franken.

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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