Mitten in Würzburg:Ausladende Rhetorik

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Wegen langen Redebeiträgen von ehemaligen Bürgermeistern soll im Rathaus die Redezeit beschränkt werden

Von OlAF Przybilla

Die schönsten Zeiten im Würzburger Stadtrat sind noch keine zwei Jahre vorbei. Damals nahmen regelmäßig vier Oberbürgermeister an den Sitzungen teil, und wenn die Leute vom Guinness-Buch ihre Fühler nur ein bisschen am Puls der Unterfranken haben würden, sie hätten der Stadt längst ein Kapitel gewidmet. Ein OB, zwei Alt-OBs, eine Frau, die schon mal OB war, sich aufgrund ihres zarten Alters den Zusatz "Alt-" aber verbat, dazu ein Stellvertreter und der Stellvertreter vom Stellvertreter. Insgesamt sechs Bürgermeister auf 51 Ratsmitglieder - das müsste, mit Verlaub, Weltrekord sein. Oder?

Nun sind Bürgermeister was Tolles, eine Stadt kann gar nicht genug davon haben. Und gerade ein Altoberbürgermeister, der sich in den reiferen Tagen seine Zeit noch ein wenig im Stadtrat vertreiben will, kann etwas sehr Bereicherndes sein. Man hat ja jetzt Muße, endlich kann mal jede Fußnote der Abwasserverordnung auf ihre philosophische Grundsubstanz befragt werden, herrlich.

Leute, die nicht gar so viel Zeit mitbringen, nervt so was trotzdem. Und so soll in Würzburg die Redezeit für Stadträte nun auf fünf Minuten beschränkt werden. Auch wenn inzwischen nur noch vier Bürgermeister im Rat sitzen.

Manche sprechen von der "Lex Weber", Jürgen Weber ist einer der Alt-OBs. Andere wiederum tuscheln von der "Lex Baumann". Der wiederum, der Stadtrat Wolfgang Baumann, war nie Oberbürgermeister, viele haben ihm bei der letzten Wahl aber zugetraut, das zu werden. Seither wird er offenbar als eine Art Alt-OB honoris causa wahrgenommen.

Baumann gilt als kluger Kopf und ausladender Rhetoriker. Letztes Jahr ist es ihm gelungen, eine Mehrheit der Würzburger hinter eine ziemlich kuriose Sache zu bringen: Obwohl in eine Baustelle an der Autobahn schon Millionen Euro verbaut waren, wollte er das Projekt per Bürgerentscheid zur Strecke bringen. Ein offenkundig aussichtsloses Unterfangen. Baumann aber redete mit so viel Verve, dass ihm die Würzburger folgten. Was die zuständige Behörde wenig kümmerte: Sie baute einfach weiter. Nach einem Jahr hob der Stadtrat die Wirkung des Bürgerentscheids sang- und klanglos auf. Allein dieser Bürgerentscheid hat die Stadt 100 000 Euro gekostet.

© SZ vom 08.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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