Mitten in Nürnberg:Wenn sich Experten selbst genug sind

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Fragt man einen Immobilien-Fachmann nach dem Quelle-Gebäude, fällt das Urteil schnell und eindeutig: weg damit! Diese klare Kante dürfte die CSU-Fraktion freuen, die das alte Gerümpel eigentlich schon lange loswerden will

Kolumne von Olaf Przybilla

Es wurde auch mal wieder Zeit. Im Nürnberger Stadtrat ist ein Experte der Immobilienbranche gehört worden. Der Mann sollte sich eigentlich über ganz andere Dinge einlassen, aber wo er nun schon mal da und ja immerhin als Experte geladen war, ließ er sich nicht lange bitten und gab sich die Ehre, auch über anderes Expertise zu verbreiten. Das Quelle-Gebäude? "Gehört abgerissen", ließ er wissen. Und legte dankenswerterweise gleich noch die Grundlage offen, auf was sich das Expertentum in diesem speziellen Fall gründet: "Ich war da selbst schon drin, und es gibt rein gar nichts Erhaltenswertes an diesem Bau."

Es ist so beruhigend zu wissen, dass es Experten gibt in diesem Land. Und dass sie sich nicht beirren lassen, sondern da hingehen, wo's wehtut, und nur auf jemanden hören, von dessen Geschmack sie im Lauf der Jahre eine exquisite Meinung erlangen durften: sich selbst. Das Haus steht unter Denkmalschutz? Abreißen! Der Bau wird von Leuten, die sich mit so was auskennen, als Industriedenkmal europäischen Rangs gewürdigt, stilbildend in der Verbindung von Monumentalität und Transparenz? Weg damit! Der Architekt des Hauses, Ernst Neufert, war Büroleiter bei Walter Gropius und gilt Architekturhistorikern längst als ein Wegbereiter der Bauhausarchitektur? Dynamit! Der Bau wird als Zenit seines Schaffens gedeutet, beispielhaft in der Synthese aus technischer Erneuerung und gestalterischer Ausdrucksweise? Wegsprengen!

Der CSU-Fraktion ist ob dieses Experten ganz schummrig geworden vor Glück, immerhin war sie es, die vor fünf Jahren schon die komplexeste aller Ideen für sich in Anspruch nehmen durfte: Haus steht leer - weg mit dem Gerümpel! Blöd nur, dass das Neue Museum Nürnberg, ein Haus des Freistaats Bayern, kurz darauf die Schau "Neufert. Leben und Werk des Architekten" präsentierte und ihn als Großen seines Fachs feierte.

Das Kulturressort steht in Nürnberg unter CSU-Hoheit. Und weil man sich als Europäische Kulturhauptstadt bewirbt, könnte das noch auf allerlei hoffen lassen. Womöglich darf man vom Immo-Experten auf CSU-Einladung hin auch andere Impulsreferate erwarten? "Die Kaiserburg - ein Heizproblem" oder "Reichsparteitagsgelände. Kosten und Nutzen"? So wird's auch was mit der Bewerbung.

© SZ vom 11.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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