Mitten in Nürnberg:Söders Selbstzweifel

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Es ist die Aufgabe der Psychologen zu erklären, warum diejenigen, die kräftig austeilen, oftmals rechte Mimosen sind. Und beim Heimatminister interessiert nicht wirklich das Warum. Sondern nur, dass es so ist

Von Olaf Przybilla

Leute, die Markus Söder gut kennen, erzählen dieser Tage, dass der Mann durch ist. Dass er zetert, grübelt, an sich zweifelt, mit der Welt im Unreinen ist. Leute, die Markus Söder nicht so gut kennen, zweifeln ja, dass dieser Mann überhaupt zu Selbstzweifeln in der Lage ist. Aber da soll man sich nicht täuschen. Ohne es im Fall Söder tatsächlich zu wissen (die SZ betreut den Mann oft und gerne, nicht aber in seinen womöglich dunkleren Stunden drei Stunden nach Mitternacht): Gerade diejenigen, die mit Wucht austeilen, sind oft die schlimmsten Mimosen. Warum das so ist, können Psychologen erklären. Hier hat nur zu interessieren, dass es so ist.

Die Gründe, die genannt werden fürs emotionale Tief des Ministers, sind nachvollziehbar: Wenn Horst Seehofer ernst macht mit der Vertragsverlängerung in eigener Sache, und wenn sich der SVB (Söderverhinderungsbund) in der CSU auch sonst durchsetzt - die Dobrindts, Aigners, Webers und Seehofers also -, dann drohen Söder nicht nur viele weitere Jahre des Dürstens. Sondern womöglich der Abfall weiter Teile der sicher geglaubten Söder-Fraktion. Jener nämlich, die sich alle schon als Minister oder wenigstens Staatssekretär von Söders Gnaden gesehen haben. Und ja: So ein plötzlicher Abfall nur scheinbar loyaler Hintersassen - das tut richtig weh.

Kurzer Besuch also auf der Nürnberger Kaiserburg, wo Söder einmal im Jahr ein Starkbierfass ansticht und einen Kurzauftritt als Humorist hinlegt. Mangelt es gelernten Austeilern aktuell an Selbstbewusstsein, dann merkt man das üblicherweise. Bei Söder: merkt man nichts, nicht mal einen Anflug. Bevor er das Fass ansticht, schenkt er so ziemlich jedem eine ein, und zwar so, dass es eine Art hat: Matthias Thürauf wird als "schönster Oberbürgermeister" der CSU in der Region begrüßt. Großes Ohoo im Saal, bis Söder beiseite sagt: "Na ja, wir hamm ja nur einen." Die CSU-Landtagskollegin Petra Guttenberger, Söders Lieblingsopfer, wird für ihr ausnahmsweise pünktliches Erscheinen gefeiert. Bis Söder sie vom Rednerpult aus fragt, ob man ihr wohl 30 Minuten später als Veranstaltungsbeginn genannt habe.

So geht das immer weiter, Hieb auf Hieb. Sollten Söder gerade Selbstzweifel plagen - dann hätte man die gerne.

© SZ vom 05.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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