Mitten in Fürth:Kapitulation statt Herzleiden

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Der Gelbe Löwe in der Gustavstraße war jahrzehntelang das beliebteste Wirtshaus der Einheimischen. Nun muss es schließen. Schuld daran ist ein zugezogener Straßenmitbewohner

Von Olaf Przybilla

Vor genau einem Jahr hat Susanne Dresel ein langes Interview in der SZ gegeben. Die Grafikerin hat erzählt, wie sie in der Fürther Innenstadt aufgewachsen ist. Wie dort das vorletzte echte Wirtshaus gestorben ist. Und wie nahe ihr das damals gegangen ist: Der Tod einer Kultur, die ein Teil ihres Lebens war. Und nicht der unwichtigste.

Die Grafikerin hat auch erzählt, wie sie sich dann mit 50 überlegt hat, einfach noch mal was anderes zu tun. Wie ihr Mann, ein Arzt, ihr geholfen hat dabei. Und wie man gemeinsam entschied, das Fürther Traditionshaus schlechthin, den Gelben Löwen in der Gustavstraße, wieder zum Herz der Stadt zu machen. Also zu dem, was er Jahrzehnte lang war. Manfred Nidl-Petz hatte dort seine Karriere begonnen, hier fand der Niederösterreicher genügend stationierte US-Amerikaner, die ihm zuhören wollten. Nidl-Petz hat überm Lokal geschlafen, nach einiger Zeit entdeckte ihn der AFN. Aus Nidl-Petz wurde Freddy Quinn.

Dresel hat auch erzählt, wie sie richtig Geld in die Hand genommen hat, um die Küche auf Vordermann zu bringen und das obere Stockwerk auszubauen. Wie man Jahre zubrachte für Gutachten über Schall- und Lärmschutz und für Bauanträge. Und welche Euphorieschübe es in ihr auslöste, die Räume mit Holzvertäfelung und Jahrhundertwendefliesen vor sich zu sehen. Bis die Eilklage eines Straßenmitbewohners kam. Wohlgemerkt: keines Nachbarn, sondern eines zugezogenen Straßenmitbewohners.

Der Mann ist inzwischen eine Berühmtheit. Er dürfte die Stadt mit Hunderten Beschwerden eingedeckt haben. Seine Leidenschaft ist der Lärmschutz. Dresel, die Wirtin, durfte in ihrer neuen Stube überm Gastraum nicht mal den 75. Geburtstag ihrer Mutter feiern. Vor einem Jahr hat sie zwei Festangestellte entlassen, kämpfen wollte sie trotzdem. Jetzt hat Dresel aufgegeben. Vier Jahre ihres Lebens hat sie investiert, um den Gelben Löwen wiederzubeleben. Und 400 000 Euro. Sie habe keine Lust mehr, sich terrorisieren zu lassen, sagt sie. Schöne Jahre waren es, sich aber ein Herzleiden einzuhandeln über den Ärger, das sei es nicht wert. Sie ist 54 und künftig wieder Grafikerin. "Ich kann aufhören", sagt Dresel, "er kann es nicht." Sie meint den Straßenmitbewohner.

© SZ vom 20.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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