Mitten in Erlangen:Klorollen-Kunst im Einsatz

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Kreative haben einen großen Vorteil: Sie können das Arg der Welt fantasievoll in ihrem Werk verarbeiten. Der Betrachter hat dann die Last, das Oevre verstehen zu müssen - oder eben auch nicht

Kolumne von Claudia Henzler

Die Wirtschaft boomt, die Arbeitslosigkeit bewegt sich auf historischem Tiefstand, Deutschland könnte Frieden und Wohlstand genießen. Stattdessen wabert ein Gefühl der Unzufriedenheit durch die Luft, und die Parteien wollen sich alle dringend erneuern. Oder sonst etwas ändern, irgendwas, damit die allgemeine Quengelei aufhört. Die Medien sind da auch nicht immer hilfreich. So richtig durchgesetzt hat sich der Ansatz des konstruktiven Journalismus jedenfalls nicht, bei dem es darum geht, mehr Positives zu verbreiten. Noch immer gilt im Prinzip die alte Journalistenregel: "Only bad news is good news."

Man könnte schon manchmal trübsinnig werden, wenn man die Zeitung liest, fand auch die fränkische Künstlerin Elisabeth Hochleitner. Als kreativer Mensch wollte sie es aber nicht dabei belassen. Sie erinnerte sich, wie pragmatisch man in ihrer Kindheit in den Dörfern um Herzogenaurach mit Nachrichten umging, da schnitt man die Zeitung von gestern in handliche Stücke und legte sie auf dem Plumpsklo bereit. Davon inspiriert arbeitete Hochleitner mehrere Ausgaben ihrer Tageszeitung in eine überdimensionierte Klorolle um. 250 Blatt, vierlagig. Welches Medium sie genau verwendete, spielt keine Rolle, denn das fertige Objekt solle nicht Kritik am Journalismus symbolisieren, versichert Hochleitner. Schließlich hat sie ja eine Tageszeitung abonniert. Es ging ihr um den Zeitgeist - so auch der Titel des Werks. Beabsichtigt war ein ironisches Gedankenspiel um den Geisteszustand unserer Gesellschaft.

Die Klorolle ist seit einigen Wochen Teil einer Ausstellung in Erlangen, passenderweise hat die Künstlerin diese unweit der Toiletten aufgestellt. Man ahnt es schon, Hochleitners Objekt kann sich seit Kurzem in eine Reihe mit Joseph Beuys' Badewanne stellen und jener Kreuzworträtsel-Collage von Arthur Köpke, die eine Besucherin in Nürnberg zum Ausfüllen animiert hatte. Denn irgendjemand hat sich an der Zeitungspapierrolle bedient und das oberste Blatt mit dem Werkstitel abgerissen. Unklar ist, ob der unbekannte Täter einfach nur ein menschliches Bedürfnis hatte oder das Kunstwerk als Auftrag verstand. Ungewollt hat er leider die Bestätigung geliefert: Es passiert halt doch viel Unschönes auf dieser Welt.

© SZ vom 15.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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