Mitten in Bayern :Trachtenverein mit Steuerschulden

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Eine Fusion wird meist von langer Hand und von vielen Experten geplant, in der Wirtschaft wenigstens. Bei jener der Trachtenvereine Häuserdörfl und Waakirchen wurden zwar auch allerhand Details besprochen, vergessen allerdings wurde der offenbar immense Wert des Vereinsheims

Kolumne von Matthias Köpf

Um Fusionen von einer gewissen Tragweite machen sich sonst ganze Heerscharen von Wirtschaftsprüfern und Investmentbankern verdient, die wichtigen Dinge werden bis ins Detail ausverhandelt. Das mit den Details war in diesem Fall ähnlich, denn die Fusionspartner waren früher fast Konkurrenten, mindestens aber Rivalen. Rivalitäten sind in dem Bereich sowieso nicht selten, ganz im Gegensatz zu Fusionen wie dieser, die 17 Jahre lang auf Führungsebene vorbereitet worden war. Die Hauserdörfler würden also ihre Loferl durch Strümpfe ersetzen, dafür durften sie ihre Spielhahnfedern auf dem Hut behalten, während die Waakirchner ihre Mäusebussardfedern preisgaben. Die Schürzen der Frauen sind einheitlich grün. Herausgekommen sind bei alledem also der neu uniformierte "Heimat- und Volkstrachtenverein Schmied von Kochel & Bodenschneid Waakirchen-Hauserdörfl" - und Probleme mit dem Finanzamt Miesbach.

Wirtschaftsprüfern und Investmentbankern wäre das womöglich auch passiert. Der eine Notar, von dem die Vereine im vorigen Jahr ihre Verschmelzung besiegeln ließen, habe jedenfalls von vielleicht zwei- oder dreitausend Euro gesprochen, sagt Hans Willberger. Der Zweite Vorsitzende des Vereins war zuvor Chef der von Nachwuchssorgen geplagten Hauserdörfler. Diese waren früher der Trachtenverein für die Arbeiter aus dem Kohlebergwerk in Marienstein, die Waakirchener waren der für die Bauern. Trotzdem hatten nur die Hauserdörfler Grundbesitz, nämlich 1100 Quadratmeter um ihr 1954 selbst errichtetes Vereinsheim. Weil dieses nur vier Kilometer Luftlinie vom premiumpreisigen Tegernsee entfernt liegt, setzt das Finanzamt entsprechende Quadratmeterpreise an und verlangt vom praktisch doppelt gemeinnützigen Fusionsverein dafür nun 22 000 Euro Grunderwerbssteuer - auf einer ziemlich immobilen Rechtsgrundlage, wie sie für Firmenfusionen geschaffen wurde. Angesichts des bevorstehenden Gaufests in Waakirchen muss da wohl die Gemeinde aushelfen, doch die braucht ja jetzt nur noch zwei Trachtenvereine zu fördern. Der andere ist der vor 85 Jahren per Fusion entstandene Heimat- und Volkstrachtenverein Schaftlach-Piesenkam. Sein Vereinsheim steht in Schaftlach, von Steuerschulden ist bisher nichts bekannt.

© SZ vom 19.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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