Landtagswahl Bayern:"CSU und SPD stehen sich programmatisch nahe"

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Wenn die CSU die absolute Mehrheit verlieren sollte, wird es womöglich eine große Koalition geben - sagt Politikwissenschaftler Marc Debus.

Christian Sebald

Falls die CSU ihre absolute Mehrheit verliert und Die Linke ins Maximilianeum einzieht, rechnen die meisten mit einer Koalition aus CSU und FDP. Nicht so Marc Debus. Der 29-jährige Politikwissenschaftler an der Mannheimer Uni erwartet am ehesten eine große Koalition aus CSU und SPD. Er stützt sich auf ein statistisches Modell über die Wahrscheinlichkeit von Regierungsbündnissen, das er mit seinem Kollegen Thomas Bräuninger entwickelt hat.

Bayern Ministerpräsident Günther Beckstein und SPD-Spitzenkandidat Franz Maget (Foto: Foto: dpa)

SZ: Im Bund versucht sich die große Koalition bis zur Bundestagswahl zu retten, sie praktisch handlungsunfähig. Wieso sollen in Bayern CSU und SPD dem abschreckenden Beispiel folgen?

Marc Debus: Zum einen liegen CSU und SPD in wirtschaftspolitischen Fragen nicht allzu weit auseinander. Sie sind sich auf jeden Fall näher als etwa CSU und FDP. Zum anderen würde jede andere Koalition die Verhältnisse im Bundesrat verkomplizieren. Das kann die CSU keinesfalls wollen. Denn das würde ihren Einfluss im Bund weiter schmälern. Und ihre Situation nach dem Verlust der absoluten Mehrheit wäre schwierig genug. Außerdem haben sich bisher weder CSU noch SPD gegen eine große Koalition in Bayern ausgesprochen.

SZ: Aber die FDP hat sich für die CSU geäußert. Spielt das keine Rolle für Sie?

Debus: Natürlich schon. Viel wichtiger aber ist, dass sich die CSU nicht geäußert hat. Daher hat das Angebot der FDP keinen so großen Effekt wie etwa die programmatische Nähe von CSU und SPD.

SZ: Wie stehen die Chancen für das Bündnis aus SPD, Grünen, Freien Wählern und FDP, das SPD-Spitzenkandidat Franz Maget will?

Debus: Sie sind Null, auch wenn sie rechnerisch existieren. Dazu haben die Vier zu wenig Gemeinsamkeiten. Da ist ein Bündnis aus CSU und Freien Wählern sehr viel wahrscheinlicher.

SZ: Nach Ihrem Modell rangiert es sogar an zweiter Stelle, vor Schwarz-Gelb. Das ist erstaunlich, sind doch die frühere CSU-Frau und FW-Kandidatin Gabriele Pauli und andere FW-Politiker in der CSU regelrecht verhasst.

Debus: Persönliche Konflikte spielen in der Politik eine große Rolle. Aber sie sind statistisch kaum erfassbar. Wir können Sie nicht berücksichtigen. Das gilt für alle Konstellationen.

SZ: Welche Wahrscheinlichkeit messen Sie Ihrer Prognose zu?

Debus: Wir haben rückwirkend bis 1990 alle Landtagswahlen ausgewertet. Bei vier von fünf Koalitionen, die aus ihnen resultierten, lagen wir richtig.

SZ: Wie steht es mit der Hessen-Wahl und dem dortigen Chaos seither.

Debus: Da lagen wir recht gut. Die höchste Wahrscheinlichkeit hatte zwar mit 23 Prozent eine große Koalition aus SPD und CDU, die wohl vor allem wegen der von Ihnen angesprochenen persönlichen Konflikte nicht kam. Eine Minderheitsregierung von SPD und Grünen, wie es sie nun geben dürfte, lag mit 18 Prozent an zweiter Stelle. Die niedrigen Wahrscheinlichkeiten haben übrigens eine Bedeutung, die für Bayern wichtig werden könnte.

SZ: Inwiefern?

Debus: Sie zeigen, dass alles im Fluss ist. Bei der Niedersachsen-Wahl, wo CDU und FDP fest zueinanderstanden, sind wir zu 95 Prozent Wahrscheinlichkeit für eine neue schwarz-gelbe Koalition gelangt, wie sie dann sofort kam.

SZ: Und wie wahrscheinlich sind die verschiedenen Koalitionen in Bayern?

Debus: Schwarz-Rot 42 Prozent, CSU-FW 34, CSU-FDP 21. Die Lage ist sehr unübersichtlich. Verliert die CSU die absolute Mehrheit, dürfte die Regierungsbildung recht turbulent werden.

© SZ vom 22.09.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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