Landesparteitag der AfD:Kaum gegründet, schon zerstritten

Die eurokritische "Alternative für Deutschland" erlebt wenige Wochen nach ihrer Gründung bereits ihre erste Krise. Auf dem Landesparteitag am Samstag in Ingolstadt planen Teile der Basis, den bayerischen Landesvorstand zu stürzen. Für Unmut sorgen auch Gerüchte um Finanzprobleme einiger Vorstandsmitglieder.

Von Andreas Glas

Die eurokritische "Alternative für Deutschland" (AfD) erlebt wenige Wochen nach ihrer Gründung bereits ihre erste Krise. Auf dem Landesparteitag am Samstag in Ingolstadt planen Teile der Basis, den bayerischen Landesvorstand zu stürzen. Ihr Vorwurf: Das AfD-Führungsgespann plane einen Alleingang und versuche, die Basis durch Parteiausschlüsse und Hausverbote von der politischen Mitwirkung fernzuhalten.

Um einen Eklat zu verhindern, hat sich AfD-Bundessprecher Bernd Lucke gegenüber der Süddeutschen Zeitung für eine Neuwahl des Vorstands ausgesprochen. Für Unmut sorgen auch Gerüchte um Finanzprobleme einiger Vorstandsmitglieder.

Der Ärger begann Ende März, als Wolf-Joachim Schünemann die Parteimitglieder zur Gründung des bayerischen Landesverbandes nach Ebersberg einlud. Das Problem: Der damalige AfD-Landesbeauftragte hatte die Einladungen erst fünf Tage vorher verschickt. Laut Parteiengesetz ist das in Ordnung, ebenso die Ansetzung des Termins am Ostersonntag. Doch viele Mitglieder waren verärgert über die kurzfristige Einladung, weil sie - zumal an einem Feiertag - längst andere Pläne hatten.

Die Konsequenz: Von den heute rund 1800 bayerischen AfD-Mitgliedern kamen nicht einmal 150 nach Ebersberg, um ihren Vorstand zu wählen oder selbst für ein Amt zu kandidieren. Am Ende einer Abstimmung im kleinen Kreis hieß der neue Landeschef: Wolf-Joachim Schünemann.

"Seilschaft Schünemann"

"Es ist offensichtlich", sagt Frank Neubauer, stellvertretender AfD-Kreisvorsitzender für Erlangen, "dass Schünemann mit der Terminwahl Konkurrenten fernhalten wollte. Je weniger Leute kamen, desto größer war die Chance, selbst gewählt zu werden." Neubauer spricht von einer "Seilschaft Schünemann", die sich in Ebersberg gegenseitig in den Vorstand gewählt habe, um sich aussichtsreiche Listenplätze für die Bundestagswahl zu sichern.

Weil sich mehrere Mitglieder darüber beschwert hatten, kündigte Schünemann zwar an, in Ingolstadt erneut über den Parteivorstand abstimmen zu lassen. Doch gibt es einen Haken: Einer Neuwahl müssen drei Viertel der Mitglieder zustimmen - das sieht die Satzung vor, die ebenfalls in Ebersberg festgelegt wurde. Eine viel zu hohe Hürde für eine demokratische Partei, findet Neubauer - und stellte gemeinsam mit anderen Parteimitgliedern einen Antrag auf Satzungsänderung.

Eine Dreiviertelmehrheit für die Abwahl des Vorstands hält Neubauer für "einen Affront gegenüber der innerparteilichen Mitbestimmung" und wecke "Zweifel am demokratischen Verständnis" des AfD-Vorstands.

Als Neubauer diese Zweifel in einer Rundmail an Parteikollegen öffentlich machte, leitete Schünemann am Mittwoch ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn ein und erteilte ihm Hausverbot für den Parteitag in Ingolstadt. Die Begründung: Neubauer habe beim Versenden der E-Mails gegen das Datenschutzgesetz verstoßen. Darüber beschwerte sich Neubauer beim AfD-Schiedsgericht. Mit Erfolg: Die Richter hoben das Hausverbot am selben Tag wieder auf. "Eine Watschn für Schünemann und seine Getreuen", findet Neubauer.

"Eine Watschn für Schünemann"

Zweifel am AfD-Vorstand hat auch Parteimitglied Philipp Hienstorfer, der einen "Antrag auf Herstellung der innerparteilichen Demokratie" eingereicht hat. Unter anderem stört es ihn, dass die Parteispitze ihre Mitglieder nicht über die Kandidaten informiert habe, die in Ingolstadt gegen den aktuellen Landesvorstand antreten. Den Verdacht, Informationen bewusst zurückzuhalten, um Gegenkandidaten zu behindern, weist Landesvorstand Schünemann energisch zurück. Es habe allein technische Gründe, dass man die Mitglieder bisher nicht über Gegenkandidaten und Einzelheiten sämtlicher Änderungsanträge informiert habe.

Wie diese Einzelheiten aussehen, werden die Mitglieder erst auf dem Parteitag an diesem Samstag erfahren. Zwar bleibt den Mitgliedern dann kaum noch Zeit, sich mit Kandidaten und Vorschlägen zur Satzungsänderung vertraut zu machen, doch habe dies nichts mit Kalkül zu tun, versichert Schünemann: "Wir machen keine Spielchen. Momentan haben wir einfach die technischen Voraussetzungen nicht, um vorab alles ins Netz zu stellen". Technik für den eigenen Wahlkampf gibt es offenbar schon: Am Donnerstag verschickte der Parteivorstand eine E-Mail mit ausführlichen Informationen zu den Personen im aktuellen Landesvorstand - über die Gegenkandidaten erfährt man nichts.

Für noch mehr Misstrauen gegen die bayerische AfD-Spitze könnten Gerüchte sorgen, die in Parteikreisen kursieren. Es ist von massiven Geldproblemen einiger Vorstandsmitglieder die Rede. Schünemann dementiert die Gerüchte nicht, sagt nur: "Wenn der eine oder andere privat oder geschäftlich Probleme hat, hat das mit der Parteiarbeit erstmal nichts zu tun." Bundessprecher Lucke dagegen hat den Landesvorstand aufgerufen, sich "den kritischen Fragen der Mitgliederversammlung zu stellen".

Außerdem will Lucke in Ingolstadt die Versammlungsleitung in die Hand nehmen und "darauf achten, dass alle legitimen Interessen zu Wort kommen". Frank Neubauer erwartet in Ingolstadt einen hitzigen Machtkampf , hofft aber auf "ein reinigendes Gewitter". Er will gegen den Vorstand stimmen: "Es ist wichtig, dass sich solche Kreise in demokratischen Parteien nicht durchsetzen." Neben dem Machtkampf dürfte sich am Samstag auch entscheiden, ob die AfD im Herbst zur Landtagswahl antritt.

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