Kreuth:Urteil verzögert sich

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Im Mordprozess um 95-Jährige sagt Gerichtsmediziner erneut aus

Von Maximilian Gerl, München/Kreuth

Für medizinische Laien ist die Angelegenheit kaum verständlich. Der Gerichtsmediziner spricht von "Punktblutungen", "CO₂-Narkose" und "Gitterfaser-Zerreißungen", von Möglichkeiten, die sich aus Protokollen und Zeugenaussagen ergeben. Dabei scheint die Frage leicht zu sein: Lässt sich aus den Obduktionsbefunden schließen, dass eine alte Dame mit einem Kissen erstickt wurde? Oder verstarb sie auf natürliche Weise? Doch der Rechtsmediziner kann keine klare Antwort geben. Als er die Frau obduzierte, war sie schon drei Wochen tot. "Dass wir überhaupt was gesehen haben, ist schon erstaunlich."

Seit 19. Januar verhandelt das Landgericht München II den Prozess gegen eine mutmaßliche Diebesbande. Über Wochen sollen vier Angeklagte das Haus einer ehemaligen Kunstsammlerin in Kreuth ausgeräumt haben - darunter auch ihre Gesellschafterin. Als die 95-Jährige auf die Palliativstation eines Krankenhauses verlegt wurde, soll die Gesellschafterin befürchtet haben, die Dame könnte daheim noch einmal nach dem Rechten sehen wollen. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft erstickte sie die Frau mit einem Kissen, um den Diebstahl zu vertuschen.

Eigentlich hätte an diesem Freitag das Urteil fallen sollen. Stattdessen erscheint der Gerichtsmediziner, um sein Gutachten zu präzisieren. Beim ersten Mal hatte er zu Protokoll gegeben, dass die Obduktion verdächtige Befunde gezeigt habe; doch ein Tod durch Ersticken sei nicht sicher nachweisbar. Für Kammer und Verteidigung ergaben sich daraus Fragen. Die werden am Freitag beantwortet, das Problem aber bleibt: Was letztlich zum Tod führte, lässt sich nicht zu 100 Prozent nachvollziehen. Sicher scheint nur zu sein, dass die alte Dame nicht an ihrer Zunge erstickte, wie die Verteidigung gemutmaßt hatte: "In meinem Berufsleben hat das in über 30 Jahren keine Rolle gespielt", so der Rechtsmediziner. Das sei, nach seiner Erfahrung, eher ein Fall für Sportreportagen.

Tatsächlich war die alte Dame kurz zuvor wegen ihres schlechten Gesundheitszustands auf die Palliativstation verlegt worden. Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich bei älteren, bereits geschwächten Patienten der Zustand unvermittelt weiter verschlechtert. Der Prozess wird am 24. April fortgesetzt.

© SZ vom 24.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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