Kirche unterliegt vor Gericht:Himmelschreiende Doppelmoral

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Als Arbeitgeber reklamieren die Kirchen einen Machtanspruch, der auch vor dem Privatleben der Mitarbeiter nicht Halt macht. Die Diözese Augsburg wollte eine Erzieherin während der Elternzeit rausschmeißen - weil sie lesbisch ist. Eine Form der Doppelmoral, die lächerliche Züge aufweist.

Sebastian Beck

Egal, ob sie nun St. Ulrich, St. Martin oder St. Elisabeth im Namen führen: Auch Kindergärten in kirchlicher Trägerschaft sind im Grunde genommen staatliche Einrichtungen. Sie werden zu 90 Prozent vom Land, den Kommunen und Elternbeiträgen finanziert. Nur einen kleinen Rest der Kosten steuern die Kirchen selbst bei.

Das Verwaltungsgericht Augsburg stufte den Schutz einer Familie durch das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz höher ein als das Kündigungsrecht der Kirche bei einem Verstoß gegen die Glaubenslehre. (Foto: dpa)

Als Arbeitgeber reklamieren sie dagegen einen Machtanspruch, der auch vor dem Privatleben der Mitarbeiter nicht Halt macht: Im nordrhein-westfälischen Königswinter wurde im Frühjahr der Leiterin eines kirchlichen Kindergartens gekündigt, weil sie sich scheiden ließ. Im Landkreis Neu-Ulm wollte die Kirche nun eine Kindergartenleiterin sogar während der Elternzeit rausschmeißen, weil sie lesbisch ist - dass sie zuvor untadelige Arbeit geleistet hat, spielte dabei keine Rolle.

Mit dieser Politik konterkariert die katholische Kirche nicht nur sämtliche Ziele des Staates, die inzwischen auch in Bayern auf eine Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben abzielen. Sie demonstriert auch eine Form der Doppelmoral, die schon eher lächerliche Züge aufweist: In vielen Pfarrgemeinden teilen die Priester mit ihren Haushälterinnen außer der Küche auch das Bett - den Gläubigen sind solche mehr oder weniger offene Partnerschaften egal, und zwar zu Recht. Sie sind froh, dass ihr Pfarrer kein einsamer Kauz ist.

Es gibt auch Bischöfe, die schwul sind, ihre Sexualität im Verborgenen ausleben und sonst scheinheilig durchs Leben wandeln. Und es gibt eine lesbische Kindergartenleiterin, die keine Lust mehr hatte zu schweigen und deshalb nun auf Geheiß der Diözese Augsburg gehen soll.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zwar erst einmal abgewiesen, die Entscheidung betrifft jedoch nur die Kündigung während der Elternzeit. Danach wird sie sich wohl einen neuen Job suchen müssen.

Gut möglich, dass einmal der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dieser Form der Diskriminierung in kirchlichen Einrichtungen ein Ende setzt. So lange müssen Kommunen aber nicht warten: Sie können in solchen Fällen dem Beispiel der Stadt Königswinter folgen und der Kirche die Trägerschaft kündigen.

Es gibt auch andere Organisationen, die Kindergärten betreiben. Wenn schon das Geld vom Staat kommt, dann sollten dort auch dessen Grundnormen gelten.

© SZ vom 21.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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