Kampf gegen Schleuser:Bayern müht sich mit Grenzkontrollen

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Als Konsequenz aus der Flüchtlingstragödie in Österreich werden in Niederbayern vor allem Transporter überprüft. Die Bundespolizei in Rosenheim hingegen ist so überlastet, dass sie vorerst alle Züge durchfahren lässt

Von Andreas Glas und Wolfgang Wittl, Passau/München

Polizisten in Leuchtwesten stehen Spalier, winken im Minutentakt Lastwagen, Kleintransporter und andere Autos auf den Rastplatz. Auf der A 3 staut sich derweil der Verkehr auf 30 Kilometern. Ein Riesenstau, der nun alltäglich werden soll. So will es Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), der am Montagmittag auf dem Rastplatz unter einem Pavillon steht, vor ihm die Fernsehkameras und ein Pulk Journalisten. Am frühen Montagmorgen um 5 Uhr hat die Polizei begonnen, in Pocking bei Passau spezielle Kontrollen durchzuführen. Es gehe darum, mehr Sicherheit für Flüchtlinge zu schaffen und ihren Schleusern das Handwerk zu legen, sagt Herrmann.

Die Kontrollen im Grenzgebiet sind eine Reaktion auf die Tragödie in Österreich, wo am vergangenen Donnerstag 71 Flüchtlinge tot im Frachtraum eines Lastwagens gefunden wurden. Dieser Vorfall, sagt Herrmann, habe gezeigt, wie "menschenverachtend, skrupellos und brutal", die Schleuser zu Werke gehen. Ihm sei bewusst, "dass wir in Brüssel jetzt Fragen gestellt bekommen", ob die Kontrolle im Grenzgebiet gegen das Schengen-Abkommen verstoße. Doch halte er die Fahndungsoffensive "im Interesse der Flüchtlinge und der Sicherheit in unserem Land" für geboten.

Während Herrmann spricht, sind die Kontrollen bereits in vollem Gang. Ein Blick der Beamten durch die Autofenster, auf die Ladeflächen, dann wird entweder durchgewunken oder angehalten. "Sichtkontrolle", sagt Herrmann, so heißt das in der Polizeisprache. Kontrolliert werden "Fahrzeuge, die typischerweise für Schleusungen benutzt werden". Die Fahrer müssen ihre Papiere zeigen, müssen ihre Koffer- und Frachträume öffnen. Mehr als 1000 Fahrzeuge kontrolliert die Polizei an diesem Vormittag und entdeckt dabei 17 Flüchtlinge und zwei Schleuser. Eine eher geringe Ausbeute, werden doch in und um Passau zurzeit im Schnitt 650 Flüchtlinge pro Tag aufgegriffen und zehn Schleuser gefasst.

Die neuen Kontrollen seien mit der österreichischen Politik abgestimmt, wo es nun ähnliche Kontrollstationen gebe, sagt Herrmann. Außerdem werde an diesem Dienstag in Passau ein Büro eingerichtet, wo Ermittler des österreichischen Bundeskriminalamts, des bayerischen Landeskriminalamts sowie der Bundes- und Landespolizei Informationen über Schleuser sammeln und austauschen. "Wir wollen uns nicht mit den kleinen Fischen, also den Fahrern, begnügen, sondern die Hintermänner ermitteln", sagt Herrmann.

Wo genau und in welchen zeitlichen Abständen die Autobahnkontrollen in den kommenden Wochen und Monaten stattfinden werden, will an diesem Montagmittag keiner verraten. Der niederbayerische Polizeipräsident Josef Rückl kündigt nur an, dass es "eine Reihe von Schwerpunktkontrollen" geben werde. Und zwar nicht nur auf der A 3 bei Passau, sondern auch im deutsch-österreichischen Grenzgebiet der A 8 von Salzburg nach München.

Um all das bewältigen zu können, habe er Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) um 1000 zusätzliche Bundespolizisten gebeten, sagt Herrmann. Er sei zuversichtlich, dieses Personal auch genehmigt zu bekommen, schließlich sei der Freistaat im Vergleich zu den anderen Bundesländern "weit überdurchschnittlich belastet" und die bayerischen Polizisten arbeiteten seit geraumer Zeit "am Anschlag".

Für die Landtags-Grünen sind Herrmanns Maßnahmen nichts weiter als eine "Symptombekämpfung". Um Schleuserbanden das Handwerk zu legen, bedürfe es einer anderen Asylpolitik, sagt die asylpolitische Sprecherin Christine Kamm. Eine Abschaffung des Dublin-Verfahrens etwa hätte zur Folge, dass der Markt für unwürdige Menschentransporte teilweise zusammenbreche. "Schleuser-Kriminalität lebt auch von hohen Zäunen", sagt Kamm. Margarete Bause, die Fraktionssprecherin der Grünen, übt an Herrmann persönlich Kritik. Bayern müsse sich darum kümmern, "ein sicherer Ankunftsstaat" zu sein. Der Innenminister falle zwar durch markige Sprüche auf, doch Fahndungserfolge nach den jüngsten Anschlägen auf bayerische Asylbewerberunterkünfte habe er bislang nicht vorzuweisen. "Ich nenne das rechten Terror", sagt Bause. Sie gehe davon aus, dass die Polizei ihr Möglichstes unternehme. Doch auf politischer Ebene werde die Gefährlichkeit der rechten Szene in Bayern "seit Jahren bagatellisiert".

Während seiner Rastplatz-Pressekonferenz erneuert der Innenminister auch eine Aussage, die er vor Kurzem in einer Talkshow im Fernsehen gemacht hat. "Ich bleibe dabei, es ist eine Beleidigung", sagt Herrmann auf Nachfrage der SZ. In einer Fernsehsendung hatte er gesagt, es sei eine "Beleidigung der Vertriebenen" nach dem Zweiten Weltkrieg, wenn deren Schicksal mit dem Schicksal der heutigen Flüchtlinge verglichen werde. Allerdings habe er damit nur jene Flüchtlinge gemeint, "die sich aus wirtschaftlichen Gründen auf den Weg machen", nicht die Kriegsflüchtlinge.

Während in Passau immer stärker kontrolliert wird, überprüft die Bundespolizei in Rosenheim vorerst keine ankommenden Züge mehr. "Wir haben 350 Flüchtlinge auf unserer Dienststelle", so Polizeisprecher Rainer Scharf am Montag. Die Beamten seien mit der Versorgung und Registrierung der Asylbewerber vor deren Weiterreise in die Münchner Erstaufnahmestelle vollständig ausgelastet. "Wir können die Menschen nicht übereinanderlegen." Die Turnhalle der Inspektion sei voll belegt. Scharf will aber nicht ausschließen, dass zu einem späteren Zeitpunkt doch wieder Züge kontrolliert werden.

© SZ vom 01.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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