Historischer Tag:Der Weg ins freie Bayern

Lesezeit: 1 min

In der Aula der Universität tagt im September 1946 die Verfassungsgebende Landesversammlung. Sie erarbeitete die Bayerische Verfassung, die nun an den Schulen stärker in den Fokus genommen werden soll. (Foto: Keystone Pressedienst)

Vor 70 Jahren waren erstmals nach Nazi-Diktatur und Krieg alle Bayern zu landesweiten Wahlen aufgerufen, um die Vertreter für eine Landesversammlung zu küren.

Von Christian Krügel

Dieser Donnerstag sollte ein Feiertag im Freistaat sein mit allem, was dazu gehört: schulfrei, Beflaggung, Staatsakt, Straßenfesten und natürlich viel Freibier - für freie Menschen in einem freien Bayern. Denn vor 70 Jahren, am 30. Juni 1946, taten dieses Land und seine Bürger einen bemerkenswerten Schritt hin zu einem demokratischen Staatswesen. Damals waren erstmals nach Nazi-Diktatur und Krieg alle Bayern zu landesweiten Wahlen aufgerufen, um die Vertreter für eine Landesversammlung zu küren.

Diese sollten eine neue Verfassung für das Land erarbeiten - lange vor dem Entwurf eines Grundgesetzes für die erst noch zu gründende Bundesrepublik. Herauskam eines der bemerkenswertesten Dokumente deutscher Verfassungsgeschichte. Es goss die Idee eines modernen und gerechten Staates in Worte und begründete ein selbständiges Bayern, das sich trotzdem als Teil eines föderalistischen Deutschlands begriff und begreift. Es entstand ein Text "sprachgewaltig, anrührend, pathetisch, grundrechtsmächtig", wie die SZ einst schrieb.

Begonnen hatte dieser historische Prozess im Februar1946, als die US-Militärregierung dem eingesetzten Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner (SPD) den Auftrag gab, in einem Expertengremium eine bayerische Verfassung vorzubereiten. Illustre, aber höchst gegensätzliche Persönlichkeiten wie Hans Ehard, Karl Scharnagl und Alois Hundhammer für die CSU, Albert Roßhaupter und Thomas Wimmer für die SPD wirkten daran mit. Und doch war es eine Arbeit im großen Konsens - vor allem dank Wilhelm Hoegner.

Der brachte aus seinem Schweizer Exil die klare Vorstellung für die Verfassung eines föderativen Staates mit, inklusive Bürgerbeteiligung und starker sozialer Komponente. So heißt es etwa Kartelle, "welche die Ausbeutung der breiten Massen der Bevölkerung" bezwecken, sind verboten, die Sozialbindung des Privateigentums ist festgeschrieben. Bei den Wahlen vom 30. Juni siegte die CSU. Auf sie entfielen 109 Sitze in der Landesversammlung, die fortan in der Aula der Ludwig-Maximilians-Universität tagte.

In einer Volksabstimmung stimmten die Bürger der Verfassung am 1. Dezember 1946 zu. Auch das war ein Sieg der Demokratie und wäre heute ein Grund zum Feiern. Doch gejubelt wird nach 70 Jahren nur ein bisschen: Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) und Professor Ferdinand Kramer vom Institut für bayerische Geschichte laden für Donnerstag zu einem Kolloquium in die LMU-Aula ein. Am 12. Juli veranstaltet die Nemetschek-Stiftung um 19.30 Uhr im Einstein eine Lesung aus der Verfassung mit dem Schauspieler Peter Weiß und dem Kabarettisten Simon Pearce.

© SZ vom 30.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Geschichte
:Wo der Mohr über die Grenze wacht

Jahrhunderte alte Grenzsteine erzählen bis heute von ihrer Bedeutung für Nachbarschaft und Trennung.

Von Hans Kratzer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: