Fünf Touren durch Bayern:Kommt alle her!

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Wenn sich für die Ferien Freunde oder Verwandte ankündigen, die Bayern "endlich mal ordentlich kennenlernen" wollen, dann braucht es einen Plan. Fünf Touren für fünf Besuchertypen.

Peter Wagner

Es gibt Urlauber, die kommen nur wegen der Alpen und für einen Schweinsbraten nach Bayern. Das ist nicht besonders einfallsreich, aber durchaus in Ordnung. Es gibt ja noch andere Feriengäste. Jene zum Beispiel, die mit sehr persönlichen Interessen und manchmal gar mit Scheuklappen in den Freistaat einreisen. Unsere Freunde und Verwandten zum Beispiel. Die benötigen programmmäßig dann eine ganz besondere, um nicht zu sagen: individuelle Behandlung. Nun, die können sie gerne haben. Hier ein paar Ideen:

Nördlingen hat eine komplett erhaltene Stadtmauer und einen Turmwächter. Sein Ruf: "So Gsell, so!" (Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

Für die Bissige

Besuchertyp: Nichte Anna-Lena aus Hannover liebt die "Twilight"-Bücher, und ihr ist schnell fad.

Das sagt sie vorher: "Ich will aber nicht nach Österreich."

Die Tour: Bayern ist in Gruselkreisen ja leidlich bekannt: Die Schriftstellerin Mary Shelley ließ Dr. Victor Frankenstein an der Universität Ingolstadt einst sein Monster erfinden, nachzulesen in, genau, "Frankenstein". Die zugehörige Stadtführung durch Ingolstadt ist angeblich dazu angetan, Anna-Lena einen angenehmen Schauer über den Rücken zu jagen. Und in Ansbach, wo wir danach hinfahren, wird das nicht anders. Die Kaspar-Hauser-Ausstellung im Markgrafenmuseum widmet sich einem armen, kleinen Mann, aufgelesen in Nürnberg, erstochen in Ansbach. War er ein Erbprinz? Ein Scharlatan? Vor allem war er der Mittelpunkt einer topspannenden Kriminalgeschichte, die wohl selbst die bayerischen "Tatort"-Ermittler Batic und Leitmayr nicht mehr lösen würden. Nun wird sich Anna-Lena freilich fragen, ob sich Bayern bloß in der Vergangenheit abspielt. Als guter Gastgeber fährt man daraufhin mit ihr nach Rothenburg ob der Tauber und schwärmt bei einem Spaziergang durch Käthe Wohlfahrts Weihnachtswelt ganz fies vom Taubertal-Open-Air, das jedes Jahr im August für zwei Tage den Altersschnitt der Region senkt. (Die Macher haben früher übrigens für die Evangelische Landjugend Windelsbach Beat-Abende organisiert und aus dem Konzertmanagen einen Beruf gemacht.) "Warum sind wir da nicht hin?", fragt die Nichte vorwurfsvoll. Das ist der Moment, in dem wir die Tickets für das Konzert der Vollgas-Trompetenband LaBrassBanda beim 7.Brettl-Festival in Hörbach aus der Tasche ziehen. (Das wird wiederum von den Leuten vom Montagsbrettl organisiert - eine Kleinkunstbühne, die es in dem Ort zwischen Augsburg und München nun schon 35 Jahre gibt). Das Ticket stimmt die Nichte milde, und sie fiebert dem im besten Sinne krönenden Tagesabschluss entgegen, dem Ausflug auf Schloss Neuschwanstein. Dort könnte man nämlich auch mal eine "Twilight"-Folge drehen. Oder vielleicht sogar den neuen "Frankenstein"?

Das sagt sie nachher: "Wenn Mama mir Klamotten schickt, kann ich noch eine Woche bleiben!"

Für die Barocke

Besuchertyp: Oma Babette aus Münster liest die Bunte und schaut so gern "Traumschiff".

Das sagt sie vorher: "Ihr habt doch auch nur den Papst und die Berge."

Die Tour: Auf der Münchner Maximilianstraße darf die Oma über die reichen Araber staunen, die die Stadt mittlerweile mindestens so gern haben wie London und Paris. Dann werden die Spazierstiefel geschnürt, und wir flanieren hoch zum Bogenhausener Friedhof, wo unter anderen Monaco Franze Helmut Fischer und Walter Sedlmayr ihre prominente Ruhe gefunden haben. Ein Zauberort für eine Klatschblättchen-Oma. Am folgenden Tag brauchen wir ein Auto, weil ein bisschen bayerische Pracht schon sein muss. Im Kloster Weltenburg gibt es die älteste Klosterbrauerei der Welt, und ob das ein Qualitätssiegel ist, kann man bei einem Umtrunk mit Dunklem testen. Nachher steigen wir aufs Schiff und fahren, ganz erhaben, durch den Donaudurchbruch, um in Kelheim zur Befreiungshalle hoch zu winken. Dort müssen wir dann mal sehen, wie wir das mit dem Auto machen. Vielleicht hat ein dienstbarer Geist auf die Schiffstour verzichtet, ist nach Kelheim gefahren und stellt die Oma, ganz Taxifahrer, nun vor die Wahl: Landesgartenschau in Rosenheim oder doch lieber die Porzellanstraße Oberfranken? "Porzellan", sagt die Oma dann vielleicht und zählt ihr Kleingeld für den Werksverkauf in Bad Staffelstein.

Das sagt sie nachher: "Rosamunde Pilcher muss eine geborene Bayerin sein."

Für die Kracherten

Besuchertyp: Björn und Sandy aus Berlin sind ein junges Paar und, das kann man so sagen, eine sehr lebensfrohe Urlaubsbekanntschaft.

Das sagen sie vorher: "Der Bayer lässt es doch eher jemütlich angehen, wa?"

Die Tour: Die beiden haben heuer schon viel Sonne am Baggersee abbekommen und ordentlich Party gemacht. Da muss Bayern nun leider mithalten. Ein guter Ausgangspunkt ist das Land der "-heime". In den weinfränkischen Orten Weigenheim, Bullenheim oder Seinsheim werden sommers die resolutesten Weinfeste gefeiert, die man sich vorstellen kann. In Ipsheim ereignet sich am zweiten Septemberwochenende so etwas wie der Schlusspunkt der Schoppensaison: Drei Tage lang fließen Müller-Thurgau und Silvaner in die bauchigen Gläser. Danach fahren wir nach Bamberg, um im Wirtshaus Schlenkerla einzukehren. Dort gibt es das vielleicht durchgeknallteste Bier der Welt, das, Tatsache, nach geräuchertem Schinken schmeckt. Und am Abend? Eine Kneipentour in Regensburg? Ganz kurz? Ob die Stadt nun wirklich, wie es häufig heißt, die größte Kneipendichte des Landes hat, sei dahingestellt. Unseren Besuch lassen wir einfach mal in dem Glauben, weil so ein Superlativ ja eine schöne Sache ist. Schade ist dagegen, dass das Gäubodenfest in Straubing schon vorbei ist. Es wäre ein Spaß gewesen, die stolzen Berliner auf den stolzen Stamm der Niederbayern treffen zu sehen. Gipfeltreffen quasi, Regierungshauptstadt trifft Zuckerrübenhauptstadt. Doch wir sagen dem Gäuboden nur kurz "Grüß Gott" und düsen stattdessen zum Kraterboden, also zum Stadtmauerfest in Nördlingen. Das wäre dann die feine vorletzte Etappe unserer bayerischen Partytour, die, da kommt man nicht drumrum, ihr Ende auf der 200.Ausgabe des Oktoberfestes finden muss. Ob das aber noch geht, hängt von Björns und Sandys Kondition ab.

Das sagen sie nachher: "Ick brauch Urlaub."

Für den Angeber

Besuchertyp: Onkel Gerhard ist architekturaffiner Gymnasialdirektor in Reutlingen und glaubt nicht, dass es neben Baden-Württemberg noch andere Götter auf der Welt gibt.

Das sagt er vorher: "Man muss ja auch mal beim kleinen Nachbarn vorbeischauen."

Tour: Hui, das wird ein "Bayern kann was"-Ausflug. Seit kurzem sind die beiden Arme der Aussichtsplattform auf der Alpspitze offen, AlpspiX heißt der Spaß. Wer draufmarschiert, schaut 1000 Meter in die Tiefe. Da britzelt es den schwindelnden Onkel. Die anschließende Diskussion darüber, ob Alpen nur zur Kulisse verkommen, kann man auf der Fahrt ins Museum Brandhorst in München fortsetzen, wo Cy Twomblys Riesenrosen ausgestellt sind. (Wer die nicht so mag, sollte sich in den tollen Lesebereich setzen und die Aussicht genießen.) Der Onkel bekommt keine Ruhe und wird nun ins mittelfränkische Dietenhofen eskortiert, wo die supermoderne Kirche St. Bonifatius (der erste Kirchenneubau im Bistum Eichstätt seit rund 20 Jahren) ganz elliptisch und stählern und glasig und ausgelegt mit Pappenheimer Juramarmor prunkt. Ein Schmuckstück, wenngleich bei den Einheimischen umstritten. Ehe es zurück ins Oberbayerische geht, um im kastaniengesäumten Biergarten von Haag an der Amper einer akkuraten Maß Bier zu huldigen, darf der Onkel in Ingolstadt und München in den jeweiligen Automuseen halt machen und sehnsüchtig über die Mobile seiner Jugend streicheln und glänzende Augen bekommen.

Das sagt er nachher: "War jetzt gar nicht so uninteressant..."

Für die Entdecker

Besuchertyp: Herbert und Renate aus Sachsen sind in Frührente und haben Europa mit dem Campingwagen und die Welt mit dem Motorrad bereist.

Das sagen sie vorher: "Aber dass ihr uns nicht wieder mit Neuschwanstein kommt!"

Die Tour: Wer schon zu viel von Bayern gesehen hat, muss es erleben. In Solnhofen geben sie den Besuchern Hämmer in die Hand, auf dass sie in den Steinbrüchen noch mehr Archäopteryxe finden mögen. Die Erfolgschancen sind eher mau, am Eifer der Klopfenden ändert das aber nix. Und weil wir schon mal in der Nähe sind, schicken wir die beiden Sachsen auf die Altmühl. Da geht es nicht besonders flott voran, aber besinnlich und bezaubernd. Hinten wird's breiter. Da kommt dann die Donau. Da können wir dann auch beruhigt und ein wenig erschöpft aussteigen. Die große und verdiente Mahlzeit des Tages gibt es nach einer Fahrt ins "Land der 1000Teiche", wie sich der Landkreis Tirschenreuth bisweilen nennt: Herbert und Renate dürfen sich dort auf einen gebackenen Oberpfälzer Karpfen freuen und anschließend auch noch auf dem "Kemnather Karpfenweg" spazieren. (Sie sollen sich nicht wundern, wenn während dieses Ausflugs immer mal wieder bemalte Fische am Feldrand auftauchen. Das gehört in der Ecke so.) Um letzte Langeweileanfälle zu zerstreuen, bekommen die beiden Weitgereisten noch zwei Punkte in ihr Reiseprogramm geschrieben. Punkt eins: Übernachtung im kleinsten Hotel der Welt in Amberg. Das bald 300-jährige Eh-Häusl ist gerade mal zweieinhalb Meter breit und hat keinen Portier. Punkt zwei: Augen verbiegen in Dinkelsbühl, wo das 3-D-Museum optische Phänomene präsentiert, dass man denkt, das gibt's doch gar nicht. Aber das denkt man ja sowieso recht häufig in Bayern.

Das sagen sie nachher: "Nicht schlecht! Wenn man hier wohnt, muss man nie weg."

© SZ vom 04.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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