Fränkische Spezialität in Gefahr:"Hirnwurst - das ist das Feinste vom Feinen"

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Allmächd! Die fränkische Hirnwurst ist vom Aussterben bedroht. Metzger Udo Richter schlägt Alarm - denn für ihn ist das Gericht eine kulinarische Kostbarkeit. Jetzt bitte nicht die Nase rümpfen!

Olaf Przybilla

Udo Richter, 55, lädt an diesem Mittwoch zum Wurst-Contest. Im Gasthof zur Post in Egloffstein soll die Ehre der fränkischen Hirnwurst gerettet werden, einer offenbar stark vom Aussterben bedrohten Spezialität aus der Fränkischen Schweiz. Insgesamt 20 Hirnwurst produzierende Metzger werden ihre Ware dafür bereitstellen, in der Jury wird unter anderem der Kabarettist Matthias Egersdörfer die Würste verkosten und bewerten.

Nein, die fränkische Hirnwurst ist alles andere als eine Gelbwurst. Aus magerem Fleisch, mit Muskat und Majoran gewürzt. Bei niedriger Temperatur gegart. Und dann in den Buchenrauch. (Foto: Genussregion Oberfranken / Bursch)

SZ: Herr Richter, Sie sind selbst Metzger, nehmen wir mal an.

Udo Richter: Ja, Metzger bin ich. Und Arzt.

SZ: Ein kleiner Scherz, schön.

Richter: Nein, kein Scherz. Ich musste seinerzeit ziemlich lange auf dieser Liste für die Vergabe von Studienplätzen warten, bis ich Medizin studieren konnte.

SZ: Und was lag da näher, als sich vorab zum Metzger ausbilden zu lassen?

Richter: Ja, warum denn auch nicht? Ich komme aus einer fränkischen Metzgerei' naus, wie wir hier sagen. Was lag also in der Tat näher? Als ich später mit dem Medizinstudium fertig war, haben sie mich den Doktor med Wurst genannt. Tja, was soll ich dazu sagen? Seine Freunde kann man sich halt auch nicht immer aussuchen.

SZ: Innere Medizin vermutlich.

Richter: Ja, zuerst war ich in der Inneren, später Allgemeinarzt. Inzwischen bin ich als Ernährungsmediziner in der Home-Care-Branche tätig. Und Metzger mit Gesellenbrief bin ich eben auch noch.

SZ: Gut. Und jetzt wollen Sie also die Ehre der Hirnwurst retten. Was soll das denn sein, fränkische Hirnwurst?

Richter: Wo kommen Sie denn her? Die Hirnwurst ist zwischen Mostviel und Gräfenberg, Hiltpoltstein und Obertrubach so eine Art Schäufele in Wurstform. Wirklich das Feinste vom Feinen aus der Fränkischen Schweiz. Mein Gott, so was muss man doch kennen.

SZ: Ist Hirnwurst nicht einfach ein anderer Begriff für Gelbwurst?

Richter: Genau dieser Irrglaube ist unser Problem. Es mag ja meinetwegen Regionen in Bayern geben, wo sie einem als Hirnwurst eine Art Gelbwurst andrehen. Aber hier ist das eine Kostbarkeit. Etwas, das man bewahren muss.

SZ: Eine Kostbarkeit - aus Hirn?

Richter: Ach was. Kein Gramm Hirn ist da drin. Diese Wurst - wie gesagt: das Beste vom Besten - war früher nur für Herren bestimmt. Für diejenigen, die im Ort das Sagen hatten: den Bürgermeister, den Pfarrer, den Lehrer. Die dörfliche Honoratioren-Trias. In Altbayern meinetwegen: die Großkopferten.

SZ: Und deshalb Hirn?

Richter: Im Fränkischen sind Herren Hirnla. Weil sie nicht mit ihren Händen arbeiten. Deshalb wurde die Wurst irgendwann sprachlich zur Hirnwurst. Seit den BSE-Zeiten aber gibt es ein massives Imageproblem. Kaum ein Metzger traut sich mehr, das noch auf seine Tafel zu schreiben. Manche haben es dann mit dem Begriff "Herrenwurst" versucht. Aber der ist ja wohl in feministischen Kreisen geächtet.

SZ: Schlimm.

Richter: Die größere Gefahr aber geht sogar von der Europäischen Union aus. Die Hirnwurst aus ganz magerem Schweinefleisch muss schlachtwarm gewürzt werden. Ein bisschen Salz und Pfeffer dran, wenig Muskat, vorsichtig Majoran. Im Niedrigtemperaturbereich garen lassen, so wie das inzwischen auch diese Dreisterneköche im Fernsehen predigen. Dann in den Buchenholzrauch hängen. Die EU mit ihrer Schlachtverordnung, wo alle Wurst erst mal runtergekühlt werden muss - das ist der Tod jeder Hirnwurst!

SZ: Beim Casting kostet nun jeder Hirnwurst-Juror von jedem Metzger eine?

Richter: Insgesamt 20 Hirnwurst-Metzger haben wir für die Verkostung aufgetrieben. Es dürften so ziemlich die letzten noch existierenden sein. Stellen Sie sich das mal vor! Aber von jedem Metzger eine ganze Hirnwurst? Das schafft kein Mensch. Ein Rädchen Wurst, Bier, etwas Brot. Das ist die heilige fränkische Dreifaltigkeit. Mehr geht nicht. Aber mehr braucht es auch nicht.

© SZ vom 26.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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