EM der Schlittenhunde:Laufen, laufen, laufen

Lesezeit: 3 min

Bei der Europameisterschaft der Schlittenhunde im Bayerischen Wald gehen mehr als 2000 Grönlandhunde, Samojeden und Huskies an den Start. (Foto: dpa)

Zur Europameisterschaft der Schlittenhunde kommen 2000 Tiere nach Haidmühle im Bayerischen Wald. Drei Renntage mit Weltmeister Bernd Sauerhöfer, magerem Kraftfutter und Dopingproben.

Von Benedikt Warmbrunn

Natürlich hätte Bernd Sauerhöfer aus Böhl-Iggelheim auch dem allgemeinen Trend folgen können. Er hätte sich dann einen neuen Wohnwagen gekauft, in diesen weißen und metallenen Farben, sehr eckig. Er hätte sich einen neuen Schlitten gekauft, aus Karbon, mit dünnen Leinen. Und: Sibirische Huskies.

Sauerhöfer sitzt in seinem Wohnwagen, einem beigen Klumpen auf der verschneiten Wiese in Haidmühle. Er erklärt, warum er dem Trend nicht gefolgt ist. Die Antwort ist recht einfach, es genügt ein Wort. Bernd Sauerhöfer sagt: "Charakter." Und weil ihm das mit dem Charakter so wichtig ist, hat er den beigen Wohnwagen, einen Schlitten aus Holz, einen einzigen Sibirischen Husky - den letzten, der ihm noch nicht weggestorben ist -, und ansonsten nur Grönländer und Malamute. Sauerhöfer sagt: "Ich brauche die Herausforderung."

Es ist Europameisterschaft der Schlittenhunde im Bayerischen Wald. Mehr als 2000 Schlittenhunde sind an diesem Wochenende in Haidmühle, einem Dorf direkt an der Grenze zu Tschechien, das sind fast doppelt so viele Schlittenhunde wie Einwohner. Sauerhöfer hat 16 Hunde in seinem Kleinlaster mitgebracht, sechs spannt er an seinen Holzschlitten, sechs werden an den modernen Schlitten seiner Frau gespannt, drei Hunde sind alt, einer ist krank. Als er sie um kurz vor halb zwei aus den Käfigen in seinem Kleinlaster lässt und auf dem Schnee in einem Rechteck ankettet, drehen sie sich im Kreis, sie springen in die Höhe, reißen und zerren, bellen und kläffen. Sauerhöfer dehnt sich, er gibt dabei Kommandos, die Hunde hören auf sie nur vorübergehend. Sauerhöfer nickt zufrieden.

Grönlandhunde sind die Rebellen unter den reinrassigen Schlittenhunden. Sie müssen streng erzogen werden, manchmal brauchen sie einen Schlag mit der flachen Hand, so groß ist ihr eigener Wille. Wer nicht aufpasst, dem pinkeln sie auch mal ans Bein. Schlittenhundeführer, sogenannte Musher, lassen den Hunden den eigenen Willen, denn deren Wille ist meistens: laufen, laufen, laufen. Grönlandhunde werden Lokomotiven des Nordens genannt. "Du spannst sie vor deinen Schlitten, und sie ziehen sofort", sagt Sauerhöfer.

Ein Grönländer ist zwar langsamer als ein Sibirischer Husky, aber kompakter und kräftiger, sobald er losgerannt ist, hält er nicht mehr an. Sibirische Huskies sind kleiner, leichter, athletischer, sie haben ebenfalls einen eigenen Willen, und doch ordnen sie sich dem des Mushers unter. Vor allem aber sind sie: schnell. Huskies laufen daher in einem eigenen Wettbewerb. Grönländer und die sensiblen Malamute laufen in dem anderen, zusammen mit den Samojeden. Letztere sind Liebhaberhunde, mit ihrem weißen Fell, mit ihrem Lächeln, mit ihrem auf dem Rücken angelegten Schwanz. Samojeden sind ausgeglichen, sie sind daher auch: langsam.

Rennen, was das Zeug hält: Für Huskys kein Problem. (Foto: dpa)

Um 13.50 Uhr steht Sauerhöfer auf seinem Holzschlitten an der Startlinie, ein Helfer hält die sechs Hunde fest, so dass sie nicht wegrennen. Als das Startsignal ertönt, rennt Sauerhöfer hinter seinem Schlitten her, er jault ein hohes "U-iiiiiii", springt auf die Kufen des Schlittens, geht in die Hocke. Sauerhöfer jault noch einmal, obwohl er weiß, dass ihn seine Grönländer auch so wegziehen würden. Nach wenigen Sekunden ist er hinter den Bäumen verschwunden. Sauerhöfer fährt in der Klasse mit sechs Hunden, über 12,5 Kilometer, am Freitag ist er der Schnellste. Überrascht hat ihn das nicht. "Bernd", sagt Sauerhöfer bei der Begrüßung, "neunmal Weltmeister, 14 Mal Europameister, 17 Mal deutscher Meister."

Er weiß, was er kann. Und was seine Hunde können. Vorne rechts Tokala, dreieinhalb Jahre alt, der Leader, temperamentvoll, schnell, intelligent, er weiß ohne Kommandos, wohin er laufen muss, wo Gefahren sind. Vorne links Yakima, Tokalas lebhafte Schwester. In der Mitte rechts Kajok, zwei Jahre alt, ruhig, nie überfordert, ideal für die Mitte, wo Schnelligkeit zählt. Daneben Mandy, acht Jahre alt, ausgeglichen. Hinten, direkt vor dem Schlitten, wo die Hunde am meisten Kraft haben müssen, rennt rechts Kiowa, ebenfalls eine Schwester von Tokala, sie ist ausdauernd, ohne Ansprüche: Sie rennt und zieht eben. Daneben die grauweiße Skye, drei Jahre alt, voller Temperament, auch sie rennt, und wenn sie nur vier Hunden hinterherrennt.

Im Herbst hat Sauerhöfer zu Hause in Böhl-Iggelheim in Rheinland-Pfalz mit der Vorbereitung angefangen. Nach einem Sommer, in dem seine Hunde schwimmen waren, in der Sonne lagen, zugenommen haben. Nach einem Sommer also, in dem sie wieder einmal faul waren. Viermal wöchentlich trainiert Sauerhöfer mit seinen Hunden, in den ersten eineinhalb Monaten legt er Gewichte auf seinen Laufwagen, 30 Kilogramm, zum Muskelaufbau. Erst wenn er das Gewicht wegnimmt, beginnt das Ausdauertraining, erst dann werden die Grönländer schnell.

Hunde, die untrainiert sind, werden beim Rennen von den Ärzten ausgeschlossen, genauso wie gedopte Hunde. Zehn Urinproben werden bei der EM genommen, sie werden auf 600 verbotene Substanzen getestet. Vor zwei Jahren wurde ein Musher gesperrt; einer seiner Hunde hatte erhöhte Koffeinwerte.

Am Renntag trinken die Hunde bis zu drei Liter Wasser. Zu fressen bekommen sie Kalbfleisch, Rind und Pferd. Kein Schweinefleisch, zu viel Fett.

Am Samstag sind Sauerhöfers Grönländer wieder schnell, zwei mussten zwischendurch etwas loswerden, im Traben, ebenfalls eine Trainingsfrage. Nach dem Rennen kettet Sauerhöfer seine Hunde neben dem Wohnwagen an. Sie liegen schlapp auf dem Boden, wälzen sich, fressen Schnee. Sauerhöfer schüttet Wasser in Metallbecher, er gibt den Hunden trockenes Brot. Nach einer halben Stunde bellt Tokala, die anderen Hunden antworten auf den Ruf. Sauerhöfer öffnet die Tür seines Kleinlasters, öffnet die Käfige, er kettet die Hunde ab. Sie springen ohne Aufforderung in ihre Käfige. Sie wissen: In einer Stunde dürfen sie wieder raus. Und es gibt Rindfleisch.

© SZ vom 18.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: